Kommentar: Darum sind ’Star Wars’-Fans immer unzufrieden
KEINER HASST ‘STAR WARS’ MEHR ALS DIE EIGENEN FANS
KEINER HASST ‘STAR WARS’ MEHR ALS DIE EIGENEN FANS
Fragt man den weisen Ältestenrat der „echten“ Fans, so gäbe es nur zwei richtig gute Star Wars-Filme: Eine neue Hoffnung (Traditionalisten kennen ihn unter dem Namen Krieg der Sterne) und Das Imperium schlägt zurück. Dann würde es konstant bergab gehen: Die Rückkehr der Jedi Ritter wäre zwar nicht so gut wie seine Vorgänger, aber immer noch viel besser als alles, was danach folgte. Ich habe diese Konjunktive mal grafisch veranschaulicht:
Noch interessanter ist der Vergleich von Fan- und Kritikermeinungen. Normalerweise sollten die sich ja einigermaßen decken. Bei Herr der Ringe, Harry Potter, Indiana Jones, Jurassic Park oder einem x-beliebigen Comic-Franchise ist das eigentlich die Regel. Nicht bei Star Wars:
Kaum zu fassen, aber der erhabene Das Imperium schlägt zurück wurde von zeitgenössischen Kritiken gar nicht so euphorisch aufgenommen. Einige negative Stimmen haben dem Film eine zerfahrene Dramaturgie vorgeworfen, ohne Anfang und Ende. Erst das Vermächtnis des Films erhob den Mittelteil der Original-Trilogie in den Legendenstatus – und tatsächlich ist Imperium auf den Kontext seiner Trilogie angewiesen. Als alleinstehender Film funktioniert er nicht. Da ist Die Letzten Jedi vorerst wärmer empfangen worden.
Woran liegt es also, dass so viele Fans alles nach der Original-Trilogie blöd finden?
Seit vier Jahrzehnten spukt Star Wars durch die Popkultur. Star Wars sind nicht nur Filme – Star Wars ist alles, was potentiell Geld macht. Der daraus resultierende Overhype wäscht nicht nur das Gehirn der breiten Masse, sondern vor allem das der Fans. Die Mythologie wird aufgepustet zu einer Fan-Religion. Das ist an sich nichts Schlimmes – Star Wars ist aus ideologischer Sicht relativ harmlos und schon beinahe philosophisch wertvoll. Dennoch werden die unschuldigen und relativ naiven Filme diesem Phänomen nicht mehr gerecht – das wäre auch unmöglich. Ein neuer Star Wars-Film wird mit beinahe abstruser Penibilität auseinandergenommen und analysiert und übliche Blockbuster-Schwächen werden zu unverzeihlichen Fehltritten.
Denkt mal zurück an Eine Neue Hoffnung: Die Geschichte ist einfach und naiv, versteckt überall „Logiklücken“ und ist verdammt vorhersehbar – na und? Star Wars sind Weltraum-Märchen. Sie beginnen wortwörtlich mit „Es war einmal“. Man sollte also lernen, die Geschichte der neuen Star Wars-Filme genauso zu akzeptieren, wie die der alten Filme, statt das „Nitpicking“ auf ein ganz neues Level zu treiben. Tatsächlich ächzen andere Blockbuster-Reihen nach der Hingabe und Sorgfalt, mit der die neuen Star Wars-Filme gedreht werden. Natürlich sind diese Filme keine makellosen Meisterwerke. Aber was ist schon perfekt? Nichts. Nein, nicht einmal die Original-Trilogie.
Hier eine typische Überreaktion, die der Verfasser später bestimmt noch bereuen wird:
Das Erwachen der Macht und Die Letzten Jedi fühlen sich für einen alten Fan an wie Fremdkörper – besonders für jene Fans, die die Original-Trilogie mitsprechen können und alle Comics und Fan-Lektüren verschlungen haben. Neues Material wird ungern in die festgefahrene Vorstellung des „guten, alten Star Wars“ integriert. Dieses Integrationsproblem verursachen nicht die neuen Star Wars-Filme, sondern vielmehr die alten Fans selbst. Dieser Tweet ist ein interessantes Gedankenexperiment:
Während Das Erwachen der Macht und Rogue One noch einigermaßen akzeptiert wurden und für den Großteil der Fanbase eines Blickes würdig waren, stößt Die Letzten Jedi auf echten Hass. Das liegt vor allem daran, dass die beiden erstgenannten Filme das Franchise wiederbelebten, statt es konsequent weiterzuführen. Todessterne, Heldenreisen, Sandwüsten, alte Bekannte – alles, was in diesen Filmen zu sehen war, wurde bereits in der Original-Trilogie als „Star-Wars-Essenz“ etabliert. Die Letzten Jedi macht das, was zuletzt nur Das Imperium schlägt zurück gewagt hat: Das Universum nach vorne bewegen. Ein Teil der Fanbase bleibt aber lieber in der wohl behüteten Vergangenheit.
Kein Mensch schaut Filme objektiv, nicht mal die Kritiker. Trotzdem wird schnell klar, warum ausgerechnet die Original-Trilogie bei Fans der ersten Stunde, sowie Filmkritikern der Gegenwart die beliebteren Filme sind: Nostalgie. Ein 50 jähriger, humorloser und verbitterter Filmkritiker hat Star Wars das erste Mal mit zehn Jahren gesehen, genauso wie ein Familienvater, der mit seinen Kindern den Lego Millenium-Falken zusammenbaut. (Nicht, dass Kritiker keine Familienväter sein können, sind ja auch Menschen, aber ihr wisst was ich meine.)
Auch losgelöst von jeglichen romantisierten Erinnerungen an dieses Franchise, sind Episode IV bis VII absolut starke Filme. Doch wie in jeder anderen Star Wars-Ära, steckt auch in der Original-Trilogie der Teufel im Detail. Warum trauert Leia nicht über die Zerstörung ihres Heimatplaneten? Warum gibt der Imperator den Rebellen die echten Todesstern-Pläne, nur um ihnen eine Falle legen zu können? Wie können Ewoks erfahrene, ausgewachsene und gepanzerte Sturmtruppler k.o. schlagen? Und „die Macht“ war schon immer ein reines Plot-Werkzeug, das nur dann benutzt wird, wenn es wirklich notwendig ist. Die vielen Schwächen wurden über Jahrzehnte schön geschaut und akzeptiert. Seit Episode I müssen Star Wars-Filme aber regelmäßig zum Logik-TÜV.
Außerdem ist es einfach nur wunderbar “hipster” die neuen Star Wars-Filme zu hassen:
Kids der 70er, 80er, 90er und 2000er teilen sich ein Franchise. Das hört sich toll an – ist es aber nicht. Fragt man ein Kind der 90er, was der beste Star Wars-Film sei, würde die Wahl ziemlich sicher auf eines der Prequels fallen. Dagegen würden Kinder und Jugendliche von heute vermutlich die „Disney-Ära“ bevorzugen. Die Kinder streiten sich also nicht einmal um das selbe Spielzeug im Sandkasten. Tatsächlich sind die Alten am Rand des Sandkastens die Übeltäter, die sich über die Disney-Sandburg des Kleinsten lustig machen und nicht mehr mit buddeln wollen.
Vielleicht sind alte Star Wars-Fans wirklich zu alt für Star Wars geworden. Erinnerungen an die Kindheit sind schön, aber deswegen fangen Erwachsene nicht wieder an mit Lego zu spielen. Und wenn sie dazu gezwungen sind, macht es einfach nicht mehr so viel Spaß wie damals.
Alt werden ist eine bittere Erkenntnis, die sich mit jedem neuen Star Wars-Kinobesuch verfestigt. Die erste Generation von Fans merkt also, dass sie nicht mehr zur Hauptzielgruppe gehören. Doch statt einzusehen, dass man weniger Kind ist, seien es nun die Filme, die weniger erwachsen seien. Das ist falsch. Tatsächlich zeigen die drei neuen Star Wars-Filme eine Reife, die zuvor einzig und allein von Das Imperium schlägt zurück etabliert wurde. Doch es gibt noch ein anderes Schlaghammer-Argument für die neue Albernheit in Star Wars:
Der große Satan in Hollywood, Gleichschaltung durch Mickey Mouse, Gelddruckmaschine und Blockbuster-Monopol – kann man denken, muss man aber nicht. Tatsächlich steht Disney doch viel mehr für Qualität und tolle Familienfilme, statt für „kindischen Scheiß“. Wie viele schlechte Disney-Filme gibt es schon, im Vergleich zu schlechten Century Fox oder Warner Bros.-Filmen?
Außerdem: Wer kann Märchen besser als Disney? Wie schon gesagt: Star Wars ist nichts anderes als ein Märchen. Auch wenn diverse Spin-Off-Reihen und Videospiele das Franchise in eine erwachsenere Richtung schieben wollen, ist Star Wars im Herzen ähnlich wie ein Disney-Zeichentrickfilm.
Disney also vorzuwerfen, dass es Star Wars versaut, weil es eben Disney ist, ist lächerlich. Vor allem, da Disney nur wenig kreativen Einfluss auf den Produktionsprozess hat. Der obliegt nämlich immer noch Lucasfilm. Doch vielleicht sollte Disney einfach ein “Do-it-yourself”-Kit für Star Wars-Filme auf den Markt bringen. Es wäre bestimmt eine interessante psychologische Studie, zu beobachten, welche Nerd-Fantasien da realisiert werden.
Genug pauschalisiert: Es gibt kein Rezept dafür, wem welche Star Wars-Ära gefällt und wem nicht. Man kann Star Wars auch aus ganz anderen Gründen nicht gut finden. Tatsächlich rudern nun einige Fans wieder zurück zu den Prequels von George Lucas. Die seien ja wenigstens noch originell gewesen. Ach was! Immerhin haben sie das nun endlich erkannt. Vielleicht brauchen die neuen Filme also einfach noch zehn Jahre, um von allen Fans akzeptiert zu werden. Wer sich nicht überzeugen lassen will: Hier gibt’s eine Petition, die Star Wars: Die Letzten Jedi aus dem offiziellen Franchise-Kanon entfernen will.
Artikel vom 19. Dezember 2017
Ich finde da bist DU zu ignorant. Man kann auch etwas gegen TLJ haben obwohl man TFA gut fand. Ich fand es toll, wie das ganze Universum zu Beginn von Episode 7 auf den Kopf gestellt war und man nach und nach alle gebrochenen Helden wiedersieht und sich fragt: was zur Hölle ist schief gelaufen.
Die Erklärung die mir TLJ liefert finde ich nicht zufrieden stellend und zum Teil sogar erbärmlich.