9.1/10

Kritik: Better Call Saul – Staffel 6

Episodenkritiken inkl. Livetalks

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Genres: Drama, Krimi, Thriller, Startdatum: 19.04.2022

Interessante Fakten für…

  • Mit 63 Folgen wird Better Call Saul genau eine Episode länger als seine Schwester-Serie Breaking Bad mit insgesamt 62 Episoden.

Vince Gilligans Albuquerque-Epos – man kann es nicht anders nennen – neigt sich dem Ende zu. Ob wir mit der finalen Staffel von Better Call Saul ein weiteres Meisterwerk erhalten, erfährst du von Woche zu Woche in dieser Episodenkritik.

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#PotterUltra #SchwerMetaller #Storyteller

Jede Woche die neue Folge in der Kritik

In dieser Episodenkritik bewerten wir jede Folge der sechsten Staffel Better Call Saul gesondert. Die Gesamtbewertung der Staffel ergibt sich aus der Durchschnittswertung aller bisher veröffentlichten Folgen.

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Jede Woche ein neuer Livetalk

Nächster Termin: Jeden Donnerstag ab 19:30 Uhr auf YouTube!

Spreche mit uns und der Breaking Bad & Better Call Saul Community über die jeweils neueste Folge Better Call Saul!

Das erwartet dich in den Livetalks:

  • Spannende Facts & Analysen
  • Staffel 6 Bingo-Spiel
  • Theorien zu Story & Charakteren
  • und vieles mehr!

Episode 1: Wein und Rosen (Original: Wine and Roses)

Darum geht’s:

Jimmy (Bob Odenkirk) und Kim (Rhea Seehorn) planen einen Coup, um den Ruf von Howard Hamlin zu beschmutzen. Dadurch erhoffen sie sich eine Beendigung des Sandpiper-Crossing-Falls und damit die Auszahlung von Jimmys wohlverdienter Provision. Nacho (Michael Mando) flüchtet aus Mexiko, nachdem er ein Attentat auf Kartell-Hengst Lalo (Tony Dalton) vermasselt hat. Mike (Jonathan Banks) und Gus (Giancarlo Esposito) wollen Nacho aus den Fängen der Salamancas befreien.

Kritik: 

Schon in den ersten drei Sekunden überrascht die sechste Staffel: Kein Gene! Das Schwarz-Weiß wird schnell durch einen Stapel bunter Krawatten nachkoloriert und wir bekommen die wohl großartigste Intro-Szene in der Geschichte des Breaking Bad / Better Call Saul Zyklus: Die Räumung von Sauls Hauspalast. Ohne ein einziges gesprochenes Wort erzählt diese Sequenz mehr als drei Folgen zusammen; voller Hints und Eastereggs, die es zu entschlüsseln gilt.

Daraufhin geht es erstmal gemächlich weiter, wie es für den Großteil der Serie üblich ist. Gedrosseltes Tempo, große Sorgfalt. Die Spannung wird so subtil aufgebaut, dass man gar nicht richtig in Worte fassen kann, auf was oder wegen was man im Moment überhaupt gespannt ist. Insgesamt ist Wine and Roses eine relativ leichtfüßige Episode, die ohne Katastrophen und Schicksalsschläge auskommt und stattdessen den listigen Spaß früher Saul-Episoden einfängt, die sich auf das Plotten krimineller Streiche konzentrieren.

Jimmy und Kims Schachzug gegen Howard Hamlin erscheint im Kontrast zu den Kartell-Schießereien nahezu infantiler Blödsinn zu sein, doch gerade deswegen machen diese Szenen so Spaß. Highlight ist Jimmys Infiltration eines Golfclubs, um seinem Erzfeind Howard ein falsches Kokain-Päckchen in den Spint zu legen.

Währenddessen entpuppt sich Lalo weiter als Schurken-Darling der Serie. Er ist ein Killer mit Herz, ein Schuft mit Charisma, der sich trotz eines Doppelmords an zwei Schleusern irgendwie die Gunst des Zuschauers ergattert, indem er sich bei den wartenden Flüchtlingen für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und ihnen das Geld ihrer Reise zurückerstattet.

Fazit:

Wine and Roses bietet eine großartige Intro-Sequenz und einen gelungenen Auftakt der finalen Staffel, obwohl die Folge nicht viel mehr als ein Appetizer ist für alles, was noch kommen mag. Eine subtile Spannung deutet sich an, eine Grundnervosität, die sich vor allem um Kim und Nacho dreht und das Warten auf die nächsten Episoden beinahe unerträglich macht.

Bewertung: 8.5

Episode 2: Zuckerbrot und Peitsche (Original: Carrot and Stick)

Kim findet Gefallen an grenzlegalen Streichen.

Rhea Seehorn in einem Szenenbild aus Better Call Saul Staffel 6 Staffel 2 Carrot and Stick

Darum geht’s:

Jimmy und Kim benutzen die Cattlemans, um einen Rufmord an Howard zu verüben. Mike macht sich Sorgen um Nacho, der sich immer noch auf der Flucht vor den Salamancas befindet.

Kritik: 

Das Tempo zieht an! Vince Gilligan selbst hat für diese Episode Regie geführt und obwohl er der Meister des “Slow-Burns” ist, fackelt er in Carrot and Sticks ein ordentliches Feuerwerk ab.

Kern dieser Folge ist Nachos Warten auf Erlösung in einem gottverlassenen Motel in Mexiko. Gilligan gelingt es mithilfe seiner sehr ruhigen und räumlichen Inszenierung, Nachos Paranoia spürbar zu machen. Ein kleines Loch in einem gegenüberliegenden Fensterladen entpuppt sich als Spannungstrigger, der für jeden anderen Regisseur zu nichtssagend und unauffällig wäre. Doch Gilligans Liebe zu Details zahlt sich einmal mehr aus.

Die angespannte Stille kippt schnell in einen gewaltigen Shootout zwischen Nacho und den Salamanca-Zwillingen. Zwar erreicht das Szenario niemals die Dramatik eines Feuergefechts zwischen Hank und den Nazis aus der fünften Staffel Breaking Bad, doch gehört die Szene allemal zu den hochwertigsten Actionszenen beider Serien.

Hector Salamanca schneidet einmal mehr fantastische Grimassen und begibt sich in ein Blickduell mit Gus Fring. Während Mark Margolis als klingelnder Gangster-Rentner weiterhin seinen ikonischen Beitrag leistet, enttäuscht die Darstellung von Fring einmal mehr. In Better Call Saul fehlt es der Rolle komplett am Facettenreichtum, an Gänsehautmomenten, die den Wechsel zwischen seinen Masken “Saubermann”, “Gangsterboss” und “psychopathischer Killer” zeigen. Seit der dritten Staffel ist Fring nicht mehr als ein seelenloser, eindimensionaler Stratege, der immer grimmig guckt. Selbst die karikaturistischen Salamanca-Zwillinge haben mit einer kleinen Geste der Menschlichkeit, indem sie ihre Mäntel über Lalos vermeintliche Leiche gelegt hatten, etwas Unterbau bekommen.

Spätestens nachdem das Ehepaar Cattleman wieder zu sehen ist, hört man als Zuschauer auf, das grimmige Gesicht eines Gus zu spiegeln, denn dir Rückkehr der Cattlemans gestaltet sich als ebenso witzig wie deren Einführung in der ersten Folge der Serie. Jimmy und Kim nutzen die beiden als Subjekte für ihre Inception, einen Gedanken in Maines Hirn zu pflanzen; nämlich jener, dass Howard kokst. Solche ausgefallenen Story-Kniffe machen Better Call Saul zu einer besonderen Serie und die Kreativität der Serienmacher scheint unermüdbar zu sein.

Am Ende der Folge spricht Kim von Wölfen und Lämmern, in Bezug auf Jimmy, Kim und die Cattlemans. Doch wer hier wirklich der Wolf ist, wird mit einem fiesen Cliffhanger angedeutet …

Fazit:

Carrot and Sticks zieht das Tempo an, liefert eine großartig inszenierte Schießerei und einen unverschämt genialen Coup in bester Saul-Manier. Knarren und Köpfchen: es ist eine exemplarische Folge der Serie.

Bewertung: 9.1

Unser Livetalk zur Folge 1 & 2

Episode 3: Pest und Cholera (Original: Rock and Hard Place)

Die Salamancas wollen Gerechtigkeit für Lalo.

Darum geht’s:
Nacho befindet sich weiterhin auf der Flucht. Mike gibt Nacho das Versprechen, seinem Vater kein Leid zuzufügen, sollte er bald nicht mehr unter den Lebenden weilen. Jimmy und Kim planen weiterhin den Sturz von Howard Hamlin und ziehen dafür Huells Fingerfertigkeit hinzu.

Kritik: 

Die Folge beginnt mit einer kryptischen Intro-Sequenz: Die Kamera fliegt über eine malerische Flora der Wüste New Mexikos. Bis auf eine blaue Blume und eine Scherbe ist nichts zu sehen. Cold Opens wie dieser gehören zum altbewährten Repertoire von Breaking Bad und Better Call Saul und je “kälter” das Opening ist, desto dramatischer wird dessen Auflösung sein.

Doch bis Pest und Cholera seine Intro-Sequenz in Kontext setzt, verstreichen 45 hochspannende Minuten wie im Flug. Tatsächlich ist diese Folge eine der Nervenaufreibendsten der gesamten Serie. Die Schlinge zieht sich zu – vor allem für Nacho.

Nachos Versteckspiel mit den Salamanca-Zwillingen erweist sich als Hochspannung pur. Der verlassene Öltank ist ein klaustrophobisches Setpiece, das einlädt, gemeinsam mit Nacho die Luft anzuhalten. Doch verschnaufen können wir noch lange nicht.

Ein emotionales Telefonat zwischen Nacho und seinem Vater startet die tickende Uhr: denn was könnte dieses Telefonat anderes sein, als ein beidseitiger Abschied? Spätestens, nachdem Mike für seinen Quasi-Sohn eine Henkersmahlzeit anliefern lässt, wird schnell klar, dass sich Nacho auf der Einbahnstraße befindet.

Eine vorsichtige Hoffnung sagt uns, dass es vielleicht doch einen Plan gibt; letztendlich bereiten wir uns jedoch auf den Tod einer der beliebtesten Serien-Charaktere vor. Die Frage bleibt: Wie wird es passieren? Und wird es wehtun?

Für die Erleichterung sorgt ein neuer Streich unseres Gaunerpärchens gegen Howard Hamlin. Eine Robin-Hood-Aktion für die Opfer des Betrugs von Sanpiper Crossing; zumindest reden sich Jimmy und Kim das ein. Wenn schon Taschendieb Huell die Frage stellt, was wirklich die Motivation zweier Anwälte sei, sich mit kriminellen Delikten die Zeit zu vertreiben, dann sollten wir das auch tun.

Richtige Fragen stellt auch Staatsanwältin Suzanne Ericsen (Julie Pearl), die Verdacht schöpft, dass Jimmy ein Anwalt der Salamancas und somit für Lalos Flucht verantwortlich ist. Doch wir wissen: Tatsächlich legt sich die Schlinge wohl viel mehr um Kims Hals als um Jimmys.

Wie sehr das moralische Urteilsvermögen von Kim entgleist ist, beantwortet sie mit einer Frage an Jimmy: “Möchtest du ein Freund des Kartells sein? Oder möchtest du eine Ratte sein?” Dieser Satz hätte auch aus dem Mund von Lalo selbst stammen können.

In bester Western-Manier treffen sich nun also das Kartell und Gus’ Gang in der Wüste. Zwischen ihnen ein Nacho, der den bissigsten Monolog des Serien-Zyklus’ seit Hank Schraders Tod liefert. Sein Tod folgt nun wenig überraschend; tatsächlich erscheint er viel mehr als eine Katharsis, ein Sieg gegen die psychopathischen Spielchen der Drogen-Mächte, die ihn am liebsten selbst zerfleischt hätten. Nacho stirbt nicht auf den Knien, sondern mit Stolz. Sein Geständnis gegenüber Hector – sein Beitrag zu Hectors Gesundheitszustand – ist das Sahnehäubchen eines perfekten Abschieds eines geliebten Charakters. Danke für alles, Michael Mando!

Fazit: 

Pest und Cholera liefert Dramatik, die man sich normalerweise für ein Staffelfinale aufhebt. Als eine der rundum stärksten Folgen der Serie, sowohl dramaturgisch als auch visuelle, wird sie lange in Erinnerung bleiben und sich förmlich einbrennen. Doch fragt man sich: Kam Nachos Tod zu früh? Was bieten die nächsten zehn Folgen an Kompensation? Schließlich haben wir in dieser Serie vor allem um die Leben zweier Charaktere gebangt: jene von Nacho und von Kim. Doch ich bin mir sicher, dass die Showrunner uns weiterhin überraschen werden.

Bewertung: 9.4

Unser Livetalk zur Folge 3

Episode 4: Hit and Run (Original: Hit and Run)

Gus zittert: Wo steckt bloß dieser Lalo?

Gus Frin Giancarlo Espositio in Better Call Saul Staffel 6 Hit and Run

Darum geht’s:

Jimmy und Kim inszenieren eine Szene für Cliff Maine, um Howards Reputation zu diffamieren. Während sich Kim verfolgt fühlt, fällt Jimmy in Missgunst bei seinen Arbeitskollegen, die ihn nur noch als krummen Kartell-Anwalt ansehen.

Kritik:

Diese Folge ist etwas besonderes: Zum ersten Mal führt Kim-Darstellerin Rhea Seehorn Regie. Nicht nur übernimmt sie die Handschrift der Serie, sie erweitert diese mit neuen Nuancen, in Form von energetischem Editing und noch nie gesehenen POV-Shots.

Nach einer der dramatischsten Folgen der Serie, Pest und Cholera, ist Hit and Run wohltuendes Comic Relief. Im Zentrum steht die Mission “Sturz Howard” und sie gipfelt in einer der witzigsten Sequenzen aus Better Call Saul

Bob Odenkirk als haselnussbrauner Double von Howard Hamlin brennt sich ein wie die Mittagssonne über der Wüste von New Mexiko. Sein empörter Ausruf “Which asshole moves a cone?” gehört ab nun an zum Repertoire der besten One-Liner der Serie. 

Doch ist es vor allem Kim, die in dieser Episode im Zentrum steht. Ihr Treffen mit Mike, zwei Hauptcharaktere, die bisher an zwei Enden des Story-Spektrums standen, belebt die Dynamik der Serie. 

Über allen Köpfen schwebt eine Frage: Wo ist Lalo? Durch seine lange Abwesenheit gewinnt Lalo noch mehr Respekt, sowohl bei den Charakteren als auch bei uns Zuschauern. Wenn sich selbst Gus mit paranoiden Gedanken in einem Bunker verschanzt, dann bläst das den Mythos “Lalo” umso mehr auf und die Vorfreude auf seine Wiederkehr steigt; oder sollten wir doch lieber nervös sein? 

Hit and Run kommt ohne großen Cliffhanger aus: die Folge endet mit der Erstsichtung des “Palastes für Gerechtigkeit”, das zukünftige Saul-Office. Kims nervöser Blick über ihre Schulter reicht schon aus, um die Spannung auf die nächste Folge hoch zu halten. 

Fazit:

Hit and Run ist ein außergewöhnliches Regiedebüt von Rhea Seehorn und geht ein als eine der lustigsten und leichtfüßigsten Episoden der Serie. Damit ist die Episode der perfekte Counterpart zur letzten Folge. Zwar fehlen die großen Entwicklungen, die großen Überraschungen, dafür überzeugt Hit and Run mit Tempo, Charme und Unterhaltungswert.

Bewertung: 9.2

Unser Livetalk zur Folge 4

Episode 5: Blaue Flecken (Original: Black and Blue)

Darum geht’s:

Howard verdächtigt Jimmy, seinen Ruf zu beschmutzen und fordert ihn zu einem ungewöhnlichen Duell auf. Währenddessen zählt Gus die Stunden bis zu Lalos Rückkehr, der sich wiederum in Deutschland aufhält, um Beweise für den Bau des Drogen-Superlabors zu sammeln. 

Kritik: 

Nur noch acht Episoden bis zum endgültigen Finale des Franchises. Nicht nur Gus wartet nervös auf die fallende Axt, auch wir Zuschauer rutschen auf dem Sessel hin und her, während die Serienmacher mit scheinbar provokanten Absichten das Tempo der Staffel drosseln. 

Im Gegensatz zu den letzten Episoden fühlt sich Blaue Flecken noch mehr wie ein Bindeglied an. Hier und da schleicht sich eine unbeabsichtigte Länge ein, zum Beispiel, wenn Gus im Schneckentempo sein Drogenlabor abläuft, um sich mental auf Lalos Rückkehr vorzubereiten. 

Dass Gus vor Angst schlottert, ist immerhin ein starker Move. Habe ich mich schon öfter darüber ausgelassen, dass der Hühnermann ungefähr so eindimensional geworden ist wie ein “Los Pollos”-Drive-In-Schild, bekommt er nun einige menschliche, beinahe neurotische Züge. Seine Beinahe-Panikattacke vor einem Kunden und das Putzen seiner Badfugen manifestiert seine Furcht auf clevere Weise.

Leider aber reicht das nicht aus, die Spannung um den Lalo-Gus-Konflikt auf die Spitze zu treiben. Schließlich wissen wir, dass Gus in Zeiten von Breaking Bad die Oberhand gewonnen haben muss und die Frage nach dem Wie erscheint wenig spannend, wenn Gus auf dem Weg dahin nichts weiter zu verlieren hat außer seinen Ruhepuls. Hier muss der Einsatz erhöht werden, die Chance auf eine Katastrophe, von der wir noch nichts wissen. 

Für die Unterhaltung sorgt in Blaue Flecken vor allem Howard. Seine Reaktion auf Cliffs gut gemeinte Konfrontation ist Comedy-Gold, sein Boxkampf mit Jimmy um die Ehre noch besser. Howards Move erscheint lachhaft, vor allem seine bierernste Motivation dahinter, Jimmy eine rein zu hauen. Doch wird der Kampf zwischen Hamlin und McGill mit Sicherheit größere Konsequenzen für Jimmy haben als ein blaues Auge; vielleicht sogar für Howard?

Ein Privatdetektiv soll Jimmy auf jeden Schritt und Tritt überwachen. Damit bahnt sich eine weitere Kollision zweier Parallelwelten an: Kann es sein, dass Howards und Mikes Ermittler ineinander rennen? Wird Howard die Faust des organisierten Verbrechens zu spüren bekommen? 

Weiterhin im Dunkeln verborgen sind die Pläne von Jimmy und KIm, ihren Schlachtplan gegen Howard weiterzuführen. Wir bekommen ein paar Hints aber niemals irgendeine Einsicht in ihre Gedankenwelt, was auf Dauer etwas frustrierend sein kann. Man sollte uns Zuschauer etwas mehr abholen bezüglich “Operation: Howard”.

Im letzten Drittel liefert Blaue Flecken schließlich das spannende Material: Lalo ist zurück; zurück in Deutschland! Sein Flirt mit Werner Zieglers Witwe Margarethe  erinnert an alte Bond-Filme, denn Lalo ist nicht weniger charismatisch und charmant wie ein Geheimagent. Er beruhigt sogar einen deutschen Klischee-Dackel auf fremder Sprache und verschont Margarethe vor einem falschen One-Night-Stand, auch wenn er sowas von bereit gewesen wäre, über ihre Leiche zu steigen, um in seiner geheimen Mission nicht aufzufliegen. 

Fazit:

Blaue Flecken besitzt einprägsame Szenen, wie beispielsweise das peinliche Boxduell zwischen Howard und Jimmy, sowie Lalos Rückkehr in unerwartetem Setting. Gleichzeitig erscheint das Erzähltempo mutig langsam und Jimmy und Kims Plan für Howard sehr undurchsichtig. Gus’ Probleme erscheinen auf den ersten Blick spannend, auf den zweiten Blick wünsche ich mir aber mehr Eskalationspotential. Dennoch bekommt die Folge, für den Kontext der bisher genialen Staffel, einen Vertrauensvorschuss, auch wenn, oder gerade weil das Warten auf die nächste Folge immer unerträglicher wird!

Bewertung: 8.4

Unser Livetalk zur Folge 5

Episode 6: Hacken und Schleifen (Original: Axe and Grind)

Armer Howard: Hat er das ganze Theater wirklich verdient?

Patrick Fabian als Howard Hamlin in Hacken und Schleifen Better Call Saul Staffel 6

Darum geht’s:

Lalo geht seiner Spur in Deutschland weiter nach. Jimmy und Kim planen das Finale ihres großen Plans gegen Howard.

Kritik:

Es ist das Regiedebüt des großen Giancarlo Esposito, Darsteller von Gus Fring, und zudem eine Folge ganz ohne … Gus Fring. Zufall? Nein, denn Esposito wollte sich unter keinen Umständen selbst delegieren. 

Der Teaser ist eine Rückblende und gleichzeitig die wohl stärkste Szene der Folge. Wir sehen, wie Kims Mutter als Vorbild versagt; hervorragend gespielt von Beth Hoyt, die Rhea Seehorn erstaunlich ähnlich aussieht. Kims gestohlene Ohrringe werden zu ihrem Sinnbild der Kriminalität, ebenso wie Marcos Ring für Jimmy. 

Mit 43 Minuten ist Hacken und Schleifen eine relativ kurze Folge. Dementsprechend schnell erscheint das Erzähltempo, das zwischen Szenen springt, ohne ihnen die übliche Luft zum atmen zu geben. 

So sehen wir nicht, wie Lalo einen von Zieglers Arbeitern überhaupt findet oder wie Francesca ein neues Office für Saul einrichtet, die Dinge geschehen einfach. Für andere Serien wäre das ein normales Erzähltempo, für Better Call Saul wirkt es lückenhaft. 

Jimmy und Kims Handlung trabt voran, ohne wirklich viel neues zu erzählen, weswegen der Plot ironischerweise “langsam” wirkt. Das Problem: Man schließt uns Zuschauer komplett aus den Köpfen der beiden aus. Zu keiner Sekunde können wir uns sicher sein, was Jimmy und Kim seit vier Folgen eigentlich genau planen. In einem Bingewatch mag dies absolut kein Problem sein; für die kleine, wöchentliche Dosis von 45 Minuten ist das aber frustrierend. 

Während Lalo aufgrund einer schwachen Inszenierung enttäuscht – wer läuft denn schon so unbeholfen mit einer Knarre herum – liefert Saul Goodman mal wieder klassische Momente, die einen zum schmunzeln bringen, wie zum Beispiel Sauls Regiearbeit während Francescas Telefonat oder der pinkelbedürftige Klient, der Francescas Wasserspiel als Pissoir benutzt, während die Toilette in den Müllcontainer geworfen wurde. 

Hochintelligent ist auch die Einführung des schwarzen Notizheftes, das als Grundlage für Sauls spätere Machenschaften dienen soll. Saul bekommt sein berühmt berüchtigtes Kontakt-Repertoire also “vererbt”. Clever, denn es lag eigentlich seit Staffel 1 auf der Hand, doch niemand hätte daran gedacht, dass ausgerechnet der Tierarzt eines der wichtigsten Puzzlestücke des späteren Saul Goodman parat hält. 

Fazit:

Hacken und Schleifen ist eine Kontext-Folge. Alleinstehend bietet sie wenig, da ihr die großen Highlights fehlen, sie könnte im Kontext der Serie aber auch ein essentielles Kapitel sein. Leider wirkt Giancarlo Espositos Regie nicht ganz so verspielt wie der eines Vince GIlligan oder einer Rhea Seehorn. Sie macht (bis auf das ewige Hinhalten im Bezug auf den “Doomsday”) aber auch wenig falsch. Die Ruhe vor dem Sturm, der im Midseason-Finale mit Sicherheit aufziehen wird.

Bewertung: 7.4 

Unser Livetalk zur Folge 6

Du möchtest mitreden? Am Sonntag, den 29.05.2022 um 19:30 Uhr gibt es erneut eine neue Folge unseres Fan-Livetalks Better Talk About Saul. Abonniere unseren Kanal und richte eine Erinnerung ein!

Episode 7: Plan and Execution

Darum geht’s: 

Jimmy und Kim verfolgen gespannt, wie Howard während der wichtigen Sandpiper-Verhandlung zugrunde geht. Währenddessen ist Lalo zurück in Albuquerque und sucht nach der besten Option, den “Hühnchenmann” kalt zu machen. 

Kritik: 

Wir alle haben erwartet, dass in dieser Episode eine Axt fallen wird. In welcher Form auch immer. Wie das Schwert über Damokles warteten wir auf den Fall von Howard Hamlin und während Jimmy und Kim dem Doomsday mit kindlicher Freude entgegen fieberten, wussten wir es besser, dass das Lachen irgendwann ein Ende haben wird. 

Das gilt natürlich nicht für Lalo, der mit seinem verschmitzten Lächeln die Folge beendet und uns schadenfroh in die einmonatige Pause schickt. 

Ja, Plan and Execution ist ein “Midseason-Finale”, wie man es sich wünscht. Oder auch nicht. Dabei hat Produzent und Regisseur dieser Folge Thomas Schnauz auf Twitter bestätigt, dass die Staffel ohne den Hintergedanken an einen Split abgedreht wurde. In einer anderen Welt hätten wir nächste Woche also schon die achte  Folge sehen können. Wollte sich Herr Schnauz etwa für diesen unheimlich fiesen Cliffhanger entschuldigen?

Doch vielleicht tut ein bisschen Verschnaufen ganz gut. Denn Plan and Execution ist die mit Sicherheit nervenaufreibendste Folge der Serie; und gleichzeitig die Beste. 

Spulen wir zurück an den Anfang: Lalo kriecht aus einem Abflussrohr in Albuquerque. Wir vermuten einen baldigen Anschlagsversuch auf Gus Fring; denn noch haben wir absolut keine Ahnung, wo Lalo am Ende der Folge stehen wird und es ist genial. 

Das hohe Tempo der letzten Folge wird beibehalten und die Vorbereitungen – bzw. Anpassungen – für den “Doomsday” werden unter Hochdruck umgesetzt. Nur machen die Szenen mit Jimmy, Kim und der Video-Crew dieses Mal ungemein mehr Spaß, da wir nun einigermaßen verstehen, was der Plan ist. 

Der rhythmische Tracking-Shot im Park gehört zu den unterhaltsamsten Szenen der sechsten Staffel und erlaubt es uns zu lachen, bis es von einem zähneknirschenden Grinsen abgelöst wird, sobald Howards “Vorführung” beginnt. 

Das Spannungslevel ist nun verdammt hoch; und das muss man wohl doch den zwei bis drei vorausgehenden Build-Up-Episoden verdanken, die uns auf provokante Art warten lassen haben. 

Habe ich kritisiert, dass uns Staffel 6 zu viele Informationen rund um Jimmy und Kims Plan vorenthält? Schuldig. Allerdings ist genau das eingetroffen, was ich erhofft habe, nämlich eine dramaturgische Rechtfertigung, die sich gewaschen hat. Letztendlich waren die Drehbuchautoren doch schlauer und vorausdenkender als ich und das erleichtert mich sehr. 

Howards Karriere-Sturz ist beinahe so unangenehm wie jener von Chuck aus der berühmten Folge Chicanery. Nun, lustiger und nicht ganz so tragisch, doch allemal zum fremdschämen und zum mitleiden. Obwohl wir den Plan bis dato schon kennen, überrascht uns die Folge dann doch mit ein bis zwei nicht kommunizierten Teilschritten. Perfekt. Und wie Howard in seinem Stuhl Richter Casamiro mit erschreckten Hamsteraugen anstarrt: mehr als perfekt. 

Das war der Plan. Kommen wir zur Exekution. 

Wie passend, dass für die Regie Thomas Schnauz gewählt wurde, der bereits die Folge Miese Entscheidung gedreht hatte: diese ist bekannt für die hochspannende Szene mit Lalo in Kims Wohnung. Plan and Execution ist also so etwas wie ein Sequel

Better Call Saul spielt einmal mehr mit einer Symbolik, die sich einbrennt, dieses Mal in Form einer Kerze, die flackert, sollte jemand Kims Wohnung betreten. Das erste Mal flackert sie für Howard und wir verstehen, dass er ein Todgeweihter ist. Das zweite Mal flackert sie für den Sensenmann, Lalo, der sich, wie der Schatten eines Dämon, hinter Howard aufbäumt. Eine Szene, die für Gänsehaut sorgt. 

Howards Tod ist nicht nur schockierend, sondern auch herzzerreißend für den Zuschauer und ironisch für Jimmy und Kim. Sie haben Howard nun im wahrsten Sinne des Wortes vernichtet und “Spaß” kann dabei keiner mehr haben. 

Die letzten Sekunden sind nichts weiter als der unfairste Cliffhanger der Serie. Es ist ein “Point of no Return” und ein “Game Changer” für die übrigen sechs Folgen der Staffel. Ab jetzt ist alles möglich und ich kann kaum warten, es zu erfahren. 

Fazit:

Plan and Execution ist ein Meilenstein, nicht nur für Better Call Saul, sondern für die ganze Serienlandschaft. Ohne bombastische Action, heißen Sex oder rohe Gewalt schaffen es die Serienmacher, fünfzig ikonische Minuten des guten Storytellings für alle anderen Serien als Exempel zu setzen. Das hier ist nichts anderes als Perfektion.

Bewertung: 10.0 

Unser Livetalk zur Folge 7

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Episode 8: Draufhalten und Abdrücken (Original: Point and Shoot)

Never Found Footage von Lalo Salamanca.

Lalo mit Kamera in einem Szenenbild aus Kritik Better Call Saul Staffel 6 Folge 8 Point and Shoot

Darum geht’s: 

Lalo benutzt Jimmy und Kim, um Gus aus seinem Versteck zu locken. Es kommt zu einem dramatischen Showdown im Superlabor. 

Kritik: 

Plan and Execution ging als die bis dato bestbewertete Folge der Serie in die Geschichte ein. Wie knüpft Point and Shoot an dieses Meisterwerk an? Ganz einfach: Mit einem weiteren Meisterwerk. 

Doch zeigt die Folge absolut keine Ähnlichkeiten zum raffinierten Plot-Konstrukt eines Plan and Execution; eigentlich zeigt sie zu gar keiner anderen Folge der Serie Ähnlichkeiten. Stattdessen setzt sie Better Call Saul eine Maske auf, die wir nie zu Gesicht bekommen, doch wir alle insgeheim ersehnt haben. 

Um es salopp zu formulieren: Endlich wird es richtig dreckig! Point and Shoot ist ohne Zweifel die düsterste und brutalste Folge der Serie, die selbst hochkarätige Breaking Bad-Kapitel mit seiner gnadenlosen Hochspannung in den Schatten stellt. 

Point and Shoot funktioniert auf unterschiedlichen Ebenen erstklassig: als Showdown in einer Prequel-Geschichte, als Bindeglied zwischen zwei Serien und als autarke Standalone-Folge.

Tatsächlich ähnelt die Erzählstruktur der eines Filmes: Sie eröffnet mit einem großartigen Cold Open, das einen Rahmen andeutet, fährt fort mit der Mission für die Hauptcharaktere und endet mit einem klassischen Showdown, der schließlich den Rahmen schließt. 49 Minuten schweißnasse Hände und Herzklopfen. 

Doch Better Call Saul ist mehr als nur eine wahnsinnig gute Serie, es ist eine Vorgeschichte, und gute Vorgeschichten werten das Original auf. Wie das funktioniert, zeigt uns Gilligan mit einem genialen Story-Kniff, indem er ein Grab für Lalo und Howard schaufelt, auf das wir bereits für dutzende Folgen unwissentlich gestarrt haben. 

Doch wie erschafft man echte Spannung, wenn es sich nur um eine Vorgeschichte handelt? Hier kommt die ewige Variable “Kim” ins Spiel.

Vince Gilligan benutzt Kim wie ein “All In” beim Poker: Während alle anderen Mitspieler sich in Sicherheit glauben, da sie die Serie überleben müssen, muss Kim alles aufs Spiel setzen. Ihr ganzer Einsatz wird vor Gus’ Haustür geschoben und es entstehen Sekunden der Angst, in denen alles möglich ist.

Lalos Story erinnert wiederum mehr einem Spaziergang über ein Minenfeld. Wir alle wissen, dass er sterben muss, doch wann wird es passieren und wie weh wird es tun? Nun wissen wir, dass Lalo keinen weiteren Schritt mehr setzen wird. 

Point and Shoot ist eine knallharte und konsequente Folge, die keine großen Überraschungen bietet aber auf der anderen Seite genau deswegen enorm befriedigend erscheint. Diese Staffel bot bereits genug Überraschungen und viele mehr werden folgen; diese Folge ist hingegen ein saftiges Pay-Off, das wir auf die ein oder andere Weise bereits in unseren Köpfen ausgemalt haben. 

Der einzige Kritikpunkt ist die etwas unfreiwillige Situationskomik, als Mike und seine Männer “unauffällig und leise” ein Wohnhaus infiltrieren möchten und daraufhin, komplett in Schwarz gehüllt, im Marschschritt eines Hells Angel Killer-Kommandos die Treppe hinauf poltern. Das hat beinahe Meme-Potential. 

Fazit: 

Point and Shoot ist der eigentliche “Doomsday” der Serie und begeistert mit einem völlig neuen Level an Spannung und Tempo. Für andere Serien wäre das hier ein potentes Serienfinale. Überlegt man, wie spannend diese Folge gewesen wäre, wenn man nicht über die Schicksale der Charaktere Bescheid wüsste, ist man beinahe dem Vorwissen dankbar. Die entscheidende Frage an dieser Stelle ist, was sich die Serienmacher für die letzten fünf Folgen aufgehoben haben. Das steht plötzlich komplett im Dunkeln. 

Bewertung: 9.8 

Episode 9: Spaß und Streiche (Original: Fun and Games)

Darum geht’s: 

Die Charaktere geben ihr Bestes, nach den schrecklichen Ereignissen wieder in ihren Alltag hinein zu kommen. Kim gelingt dies aber nicht und trifft radikale Maßnahmen …

Kritik: 

Was Better Call Saul besser macht als vermutlich alle anderen Prequels zuvor ist die Fähigkeit, das Original zu bereichern und gleichzeitig eine spannende, eigenständige Geschichte zu erzählen. Spaß und Streiche beweist das eindrucksvoll und trifft dabei radikale Entscheidungen, die nicht allen Fans gefallen werden.

Doch bevor wir über den radikalen Zeitsprung am Ende der Folge sprechen – und damit ist das Kind gleich beim Namen genannt – sollten wir uns die Folge als Gesamtwerk anschauen.

Um es in den Worten eines Weinkenners auszudrücken: Bittersüß, mit einer Note von Endgültigkeit im Abgang und einem überraschenden Twist in der Struktur. Gänzlich anders als die vorherigen zwei Folgen und dennoch nicht weniger begeisternd.

Mit einer langen Spielzeit von 56 Minuten lässt sich die Folge alle Zeit der Welt. Nach Don Eladios extrem lustigen Nachäffen von Hector – DingDiDiiingDiDiDiiiiing – gibt es herzlich wenig zu lachen. Melancholie legt sich auf das Leben der Hauptcharaktere. Jeder Einzelne findet ein inoffizielles, bitteres Ende.

Mike sucht Nachos Vater auf, um ihn über den Tod seines Sohnes aufzuklären, und während er Nacho als anders und gutmütig betitelt, verstehen wir, dass Mike dasselbe von sich selbst hält. Eine Illusion, die schnell in die Tonne geworfen und verbrannt wird, wie die Beweise für den Mord an Howard.

Gus bekommt eine faszinierende Szene geschenkt, die seinen Charakter um eine Dimension komplexer macht. Das erste Mal sehen wir den Hühnermann mit einem ehrlichen Lächeln auf dem Gesicht, das nicht aufgesetzt oder böswillig ist. Sein Geplänkel mit David lässt erotische Funken sprühen, ohne irgendetwas erotisches zu kommunizieren. Subtilität, wie sie nur das Skript eines Vince Gilligan und Co. vermitteln kann. Gus’ letztendliche Flucht vor Menschlichkeit, einer Freundschaft – oder mehr als das – lässt sein Streben nach Vergeltung umso bitterer erscheinen. Ein Gefühl, dass sich bis in den Breaking Bad-Strang durchzieht.

Spaß und Streiche ist die Ruhe nach dem Sturm; zumindest vermeintlich, bis sich der wohl tragischste Moment der gesamten Serie entfaltet, der wiederum eigenartig understated und dadurch umso kraftvoller in die Magengrube trifft: Das Ende von Jimmy und Kim. Eingeläutet wird das Drama mit einem herzzerreißenden, finalen Kuss in HHMs Tiefgarage; dort, wo alles angefangen hat.

Tatsächlich ist der Tod von “Kimmy” nicht die große Katastrophe, die wir alle befürchtet hatten; es ist lediglich eine ganz normale Trennung, die jedoch im Kontext der Geschichte nicht tragischer und konsequenter hätte sein können. Kims Realisation, dass ihre Liebe für ihr gesamtes Umfeld toxisch ist, ist schwer zu akzeptieren, und Jimmys Proteste machen es umso schwerer. Rheas gläserner Blick, während sich Bob mit Händen und Füßen gegen das Ende wehrt, verdient alleine schon den Emmy für beide Darsteller.

Dann folgt der Zeitsprung. So plötzlich, überfordernd, enttäuschend und kalt wie das Gefühl, wenn einem das Herz herausgerissen wird. Und genau das haben wir hier gesehen: Jimmy wurde das Herz herausgerissen. Jimmy ist tot. Es gibt nichts mehr aus seiner Perspektive zu erzählen. Lang lebe Saul.

Fazit: 

Spaß und Streiche komplettiert den Hattrick von fantastischen Folgen und erschlägt uns mit einem wahnsinnigen Zeitsprung, der uns als Zuschauer komplett aus der Bahn wirft. Was wird als nächstes passieren? Schon wieder haben es die Schreiber:innen geschafft, uns im Dunkeln stehen zu lassen. Wäre die Serie nun zu Ende, wäre das hier ein beinahe perfektes Staffelfinale gewesen. Die letzten vier Folgen können es eigentlich nur noch besser machen.

Bewertung: 9.6 

Episode 10: Nippy

Nippy ist die erste Folge der Serie, die sich komplett auf Gene konzentriert.

Bob Odenkirk als Gene in einem Szenenbild für Kritik Better Call Saul Staffel 6 Folge 10 Nippy

Darum geht’s: 

Gene nimmt sich einer Gefahr an, welche die Preisgabe seiner Identität bedroht und plant einen riskanten Coup. 

Kritik: 

Nippy fällt bereits durch seine Namensgebung auf: Das erste Mal in Staffel 6 verzichtet man auf eine Und-Konstruktion. Der Bruch verrät das Ende der Jimmy-Geschichte und den Anfang des Endes. Das Kassettenband des Intros bricht ab und wechselt in einen Bluescreen – denn mehr als zehn Folgen-Intros gibt es von Better Call Saul noch nicht. Was für Intros bekommen wir also ab nächster Woche zu sehen?

Durch den isolierten Zeitstrang und das Schwarz-Weiß fühlt sich Nippy an wie eine Flaschen-Episode, ähnlich wie Fliege aus Breaking Bad oder Bagman aus der vorherigen Staffel. Endlich bekamen wir sie also, die lang vorhergesagte Gene-Folge! Doch kam sie zum richtigen Zeitpunkt und was sagt ihre Platzierung über die letzten drei Folgen aus?

Diese Folge lässt sich problemlos an beinahe jede Stelle in der Staffel ziehen und sie würde auf eine ganz spezielle Weise das Gesamtbild bereichern. Die einfache Lösung wäre natürlich gewesen, Nippy als Staffelauftakt zu spielen und somit die Tradition fortzuführen, die in den vorherigen Staffeln etabliert wurde. 

Eine andere, mutige Option wäre gewesen, Nippy als das Serienfinale zu nehmen. Dramaturgisch mag das zwar etwas dünn und enttäuschend sein, doch tatsächlich wurde – stand jetzt – alles um Jimmy und Gene zu Ende erzählt, was zuvor begonnen wurde. Jimmy wurde zu Saul und auch Gene wurde (temporär) zu Saul, um sich der letzten Gefahr zu entledigen, die ihn in den Knast befördern könnte. 

Wenn wir bis dato also alles erzählt bekommen haben, was bleibt dann noch übrig für die finale Trilogie? Die Platzierung dieser Folge an zehnter Stelle pflanzt bei uns Zuschauern den Gedanken, dass wir nun in den Genuss von drei neuen Breaking Bad-Folgen kommen könnten; vielleicht sogar mit Breaking Bad-Intro? Und wenn auch das nicht stimmen sollte, dann werden uns Gilligan und Co. mit einem unberechenbaren Appendix kalt von der Seite erwischen. 

Im Gegensatz zum dramatischen Hattrick der vorherigen Folgen, ist Nippy leichtfüßig und “spritzig” – was “Nippy” übrigens in der direkten Übersetzung bedeutet. Die Atmosphäre ist relativ unbeschwert und es geht erneut um Spaß und Streiche; bis durch absurde Situationskomik solch eine Spannung entsteht, die sonst nur die Coen-Brüder inszenieren können. 

Genes falsche Freundschaft mit Sicherheitsmann Frank ist urkomisch und gipfelt in einem abstrusen Improvisationstheater, das uns nicht nur zum Lachen sondern auch zum Luft anhalten bringt. Der Ladendiebstahl gehört zu den besten und lustigsten Moment der Staffel. 

Doch alles geht gut und Gene hat seine letzte Gefahr, Taxifahrer Jeff, erfolgreich abgeschüttelt, indem er nun ein Geheimnis besitzt, das Jeffs Wissen über Genes wahre Identität entkräftet. Ganz kurz spielt Gene mit dem Gedanken, erneut in die Haut von Saul Goodman zu schlüpfen, lässt Hemd und Krawatte dann aber doch am Ständer hängen. Was das ein Abschied oder ein erneutes “Hey, alter Freund.”?

Es ist nicht mehr und nicht weniger als das Ende der Gene-Geschichte, die seit Staffel 1 häppchenweise erzählt wurde. Sollte in diesem Zeitstrang mehr auf uns warten, dann wird es vermutlich nicht mehr in Schwarz-Weiß präsentiert, da Gene seine Paranoia schlussendlich überwinden konnte. Wollen wir mehr Story aus der Post-Breaking-Bad-Ära, dann muss höchstwahrscheinlich die eine Person zurückkehren, die Gene/Saul/Jimmy am meisten bedeutet – und nein, es ist nicht Jeffs Mutter. 

Fazit: 

Nippy ist eine hervorragende Flaschen-Episode mit hohem Unterhaltungswert. Für einige mag diese Gene-Folge ein unnötiger Lückenfüller sein, der sich aufgrund der wenigen verbleibenden Folgen umso frustrierender anfühlt. Doch bringt sie Genes Story auf vernünftige und charmante Weise zum (vermeintlichen) Ende, was jedoch nicht unbedingt bedeutet, dass die Zeitlinie zu Ende erzählt wurde. Jede Folge ist ein Puzzleteil, das passt und zum richtigen Zeitpunkt in das Gesamtbild eingesetzt wird. Wir meinen zwar, das gesamte Bild bereits zu sehen, doch es fehlen noch drei verbindende Teile. 

Bewertung: 8.9

Episode 11: Rein oder raus? (Original: Breaking Bad)

Bryan Cranston (Walter White) und Aaron Paul (Jesse Pinkman) kehren das erste Mal in Better Call Saul zurück vor die Kamera.

Szenenbild mit Bryan Cranston als Walter White und Aaron Paul als Jesse Pinkman aus Breaking Bad von Better Call Saul Staffel 6

Darum geht’s: 

Gene leckt Blut und fällt in alte Muster zurück, indem er mit seinen neuen Freunden in Omaha eine Betrugsmasche entwickelt. Dabei zeigen sich Parallelen zur Vergangenheit: alles begann mit der Bekanntschaft zu Heisenberg. 

Kritik: 

In Breaking Bad wurde Saul Goodman in einer Folge namens Better Call Saul eingeführt, also ist es nur logisch, symmetrisch und vollendend, wenn in Better Call Saul Walter White in einer Folge namens Breaking Bad eingeführt wird. 

Warum man die Folge zu “Rein oder raus?” ins Deutsche übersetzen musste, ist ungefähr so unnötig und unglücklich wie Beethovens Schicksalssymphonie mit einem Achselfurz zu beenden; aber sei’s drum.  

Rein oder raus? ist die wohl komplexeste Folge der Staffel, denn es wird nicht nur mit Breaking Bad-Referenzen um sich geschmissen, sondern auch mit Zeitlinien, Collagen und One-Linern. Letzteres gehört dieses Mal vor allem Francesca, die mit staubtrockenen Sprüchen ihren Frust kompensiert. 

Doch auch leise, tragische Momente fließen in den Szenen-Sturm ein, wie zum Beispiel ein stummes Telefonat mit Kim, das viel weniger über das Telefonat sondern viel mehr über Genes Reaktion darauf erzählen möchte. 

Doch Rein oder raus? wird vor allem für eines bekannt werden, nämlich für das große und heiß ersehnte Cameo von Bryan Cranston und Aaron Paul als Walt und Jesse. Zum Glück wurde das Versprechen der Producer eingehalten und es handelt sich hierbei nicht nur um reinen Fanservice – obwohl dieser auch dick aufgetragen wird – sondern um ein passendes Puzzlestück für die Story um Saul. 

Das Cameo ist aus mehreren Gründen stark: Die Lücke zwischen Sauls Entführung und seinem Besuch in Walts Schule zu stopfen ist elegant und sinnvoll, denn die berühmte “Lalo-Line” bekommt nun mehr Kontext geschenkt und wertet Breaking Bad rückwirkend auf. Außerdem wurde das Alter der Darsteller dank der Skimasken gut kaschiert – etwas, das Breaking Bad oder Better Call Saul bisher nie geschafft hatte. 

Regisseur und Autor dieser Episode Thomas Schnauz verbringt ein kleines Storytelling-Kunststück, indem er die Zeitlinien von Gene und Saul miteinander verwebt. Immer wieder springen wir mit schnellen Cuts zwischen Farbe und Schwarz-Weiß und sehen die Parallelen zwischen den beiden Alter Egos: nämlich die selbstzerstörerische Sucht, Regeln zu brechen und guten Rat auszuschlagen. 

Die elegante Vernetzung dieser Zeitlinien wertet die letzte Folge Nippy ebenfalls rückwirkend auf. Denn nun wissen wir, dass der Kaufhaus-Coup keinesfalls das Finale für Gene gewesen ist und wir erst in der allerletzten Folge wissen werden, was sein Schicksal sein wird; und es zeichnet sich immer mehr ab, dass sein Ende genauso tragisch wird wie jenes von Walter White.  

Im Gegensatz zu den letzten drei Folgen endet Rein oder raus? mit einem Cliffhanger, der den Weg der folgenden Episoden bereits andeuten könnte. Noch wurde keinesfalls die Intensität einer finalen Staffel von Breaking Bad erreicht, dafür entpuppt sich die finale Staffel von Better Call Saul immer mehr als eine vollkommen einzigartige Geschichte, die trotz Prequel vollkommen unvorhersehbar bleibt. 

Fazit: 

Rein oder raus? ist eine einzigartige Episode mit vielen kleinen Highlights und inhaltlichen Finessen. Die ganz großen Emotionen bleiben zwar (noch) aus, doch was uns Thomas Schnauz mit seinem letzten Regie-Credit geboten hat, gehört zu den kreativsten Leistungen der Serie. 

Bewertung: 9.3

Episode 12: Tränen (Original: Waterworks)

Darum geht’s: 

Kim trifft eine mutige Entscheidung, um mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, während Gene sein Alter Ego nicht loslassen kann und eine fatale Grenze überschreitet. 

Kritik: 

Better Call Saul ist genauso wie Breaking Bad eine Show der Pay-Offs. Statt konstanter Action arbeiten die Showrunner mit Spannungsbögen, die über Folgen und gar Staffeln gestrafft werden, um die Entladung so mitreißend wie möglich zu gestalten. 

Tränen ist – ähnlich wie die legendäre Folge Ozymandias aus Breaking Bad – eine Folge der Entladung. Aufgestaute Emotionen brechen hervor mit der Gewalt eines Staudammes und viel wichtiger als die grandiose Inszenierung der Szenen ist dabei die jahrelange, sorgfältige Vorarbeit der Showrunner. 

Sorgfalt. Das ist das große Stichwort, das in Tränen noch mehr glänzt als in allen anderen Folgen zuvor. Die Liebe zum Detail, die Vince Gilligan in seine Story-Kunst steckt, zahlt sich aus mit den emotionalsten und poetischsten Momenten der Serie. 

Die erste Hälfte der Folge ist Kim gewidmet, die vollkommen entfremdet im routinierten Alltagstrott vor sich hin lebt, ohne dabei wirklich zu leben. Quälend langweilige Gespräche über den Aufstrich des Pausenbrotes oder die Geburtstagskarte der Kollegin saugen die Freude aus Kim und es ist herzzerreißend. Zu jeder Gelegenheit weicht Kim einer Entscheidung aus, als wäre sie paralysiert von der ganzen Schuld, die sie begleitet wie ein dunkler Schatten. Das Telefonat mit Saul führt jedoch dazu, dass Kim über diesen Schatten springt. 

Die beinahe stumme Szene des Geständnisses vor Cheryl ist so intensiv wie die Stille eines Gerichtssaals, bevor der Richter den Raum betritt. Kim wirkt seltsam gefasst dabei, doch während der darauffolgenden Busfahrt werden sämtliche Emotionen, die sich in Kim seit Staffel 1 aufgestaut haben, mit der Sprengkraft einer Bombe entladen. 

Die Busszene ist qualvoll mit anzusehen, doch gleichzeitig ungeheuer befreiend, die fremde Hand einer Passantin auf Kims Schulter die wohl tröstendste Geste, die man sich in diesem Moment vorstellen kann und insgesamt wohl der großartigste emotionale Zusammenbruch seit Matthew McConaugheys Heulkrampf in Interstellar

Noch mehr Gänsehaut bereitet das vollkommen unerwartete Crossover zwischen Jesse und Kim, direkt nach dem Unterzeichnen der Scheidungspapiere. Fanservice? Natürlich; doch die Szene ist noch viel mehr als das. Sie erklärt einen weiteren Butterfly-Effect, der die Ereignisse beider Serien zusammenbindet, denn ohne Kims Kommentar über Sauls Kompetenz hätte Jesse nicht seine Dienste angenommen. Nach dieser Szene sind Breaking Bad und Better Call Saul endgültig zu Yin und Yang geworden.

Doch noch fehlt das Ende der Geschichte. Und wer hätte nach Nippy gedacht, dass Carol Burnett als Marion eine derart entscheidende Rolle im Untergang von Saul Goodman spielen wird. Die farbige Spiegelung in Genes Brillengläsern, während er seinen eigenen Werbespot auf Marions Laptop betrachtet, läutet das Ende von Gene ein.

In den letzten Minuten entfaltet sich Genes “Breaking Bad”-Moment, indem er – wenn auch nur für einen Augenblick – das Telefonkabel als Todeswaffe gegen Marion strafft, nur um wenige Sekunden später doch sein Herz wiederzuentdecken. Ganz großes Kino! Gene stellt also das Leben einer alten Frau doch über sein eigenes, etwas, das Walter White nicht getan hätte. Doch wie auch Breaking Bad, ist Better Call Saul eine Geschichte der Konsequenzen. Daher wird uns in der letzten Folge höchstwahrscheinlich kein Happy End erwarten.

Fazit: 

Tränen beweist uns, dass Vince Gilligan vollkommen zurecht “besonders stolz” auf die letzten Folgen dieser Staffel ist: Tränen ist in jeder Hinsicht ein perfektes Meisterwerk. Mit dieser Folge verabschiedet sich ein Meister von seinem Lebenswerk und verlässt die Bühne mit tosendem Applaus. Hut ab, Vince. Kein anderer kann mit solch einer Kontrolle, Eleganz und Menschlichkeit Geschichten erzählen. Nun, vielleicht Peter Gould, der noch die Chance hat, mit dem anstehenden Finale alles bisher Gesehene ein letztes Mal zu übertrumpfen. 

Bewertung: 10

Episode 13: Saul ist weg (Original: Saul Gone)

Darum geht’s: 

Gene wird geschnappt und für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Geister der Vergangenheit lösen einen Konflikt in Gene/Saul/Jimmy/James aus, welche Persona nun vor Gericht sprechen darf. 

Kritik: 

Bob Odenkirk fragte Regisseur Peter Gould im Insider Podcast eine unangenehme Frage: Hatten die Autoren im Writers Room den Gedanken in Betracht gezogen, das Serienfinale “flashier” zu gestalten? Dramatische Tode, abgefeuerte Knarren oder explodierende Autos; schließlich wäre es in der Regal das, was Zuschauer von einem Serienfinale erwarten.

Zu meiner Überraschung gab Peter Gould zu, dass sie eben diese Sorge im Writers Room geteilt haben, sich eine “dramatischere” Zuspitzung der Ereignisse aber erzwungen angefühlt hätte. Gould vertraue den Fans der Serie, die Subtilität des Finales zu entschlüsseln und den emotionalen Impact zu spüren. Schließlich hatten sie eben jene Fans für über fünf Staffeln “trainiert”, Filme nicht nur zu schauen sondern zu sehen, mit einem Auge für Details.

Saul Gone entpuppt sich als 70 minütiger Goliath, die mit Abstand längste Folge des Breaking Bad-Universums, wenn man El Camino einmal außen vor lässt. Doch eben so wie jener Film über Jesses letztes Kapitel, fühlt sich Saul Gone wie ein eigenständiger Film an. Tatsächlich hat sich weder Breaking Bad noch Better Call Saul jemals so authentisch und cinematisch zugleich angefühlt.

Authentisch war das Werk von Gilligan und Co. schon immer, doch Saul Gone erweckt tatsächlich den Eindruck einer wahren Begebenheit, die sich vor ein paar Jahren in den USA genauso ereignet haben könnte.

Nach einer nicht einmal fünf Minuten langen Flucht wird Gene hinter Gitter gebracht und es entwickelt sich eine Gerichtsfolge, die, wenn man bedenkt, dass die Hauptcharaktere der Serie Anwälte sind, über den Verlauf der Serie extrem rar gesät waren. Chicanery lässt grüßen.

Nach ungefähr 30 Minuten wird uns dann mit einem Schlag klar, dass wir hier nicht das Finale von Better Call Saul schauen; wir schauen das Finale eines Serien-Zyklus’. Sobald Betsy Brand als Marie Schrader das erste Mal zu sehen ist, spuken die Geister aus Breaking Bad überall. Wer hätte schon gedacht, dass wir jetzt noch einen rührenden Abschluss für Hank Schraders Tod bekommen und er sich so nahtlos in die Rahmenhandlung einfügen wird?

Verwoben wird all das mit dem Motiv der drei Geister der Vergangenheit – eine Anlehnung an A Christmas Carol – , die Gene/Saul/Jimmy heimsuchen und nach seinem wahren Selbst graben. Das Thema ist ein einfaches Gedankenexperiment: Hättest du eine Zeitmaschine, was würdest du ändern?

Mike ist der erste Geist und er beurteilt Jimmys Plan, mit der Zeitmaschine einfach nur noch mehr Geld zu scheffeln, als nicht ehrlich. Walter deckt schließlich mit seinem Zynismus auf, dass das Gedankenexperiment, das Jimmy anscheinend für Jahre begleitet hatte, nur eine Metapher für Reue sei. Schließlich erklärt Chucks Cameo den Ursprung des Themas: ein Buch von H.G. Wells The Time Machine symbolisiert, dass Jimmy zu genau diesem Zeitpunkt zurückreisen würde, um alles zu ändern. Mit dem Charaktertod von Saul Goodman erlangt Jimmy diese Erkenntnis vor Gericht und legt ein Geständnis ab, das nicht nur die Strafverfolger zufriedenstellt, sondern auch Kim im Publikum.

Was für eine passende Wendung, dass Jimmy kurz vor Schluss die Introspektion erlangt und dabei Erlösung bekommt. Was für ein romantischer Liebesbeweis an Kim, dass ihm eine schlussendliche Versöhnung wichtiger ist als 79 Jahre der Freiheit? Vielleicht sollten wir nun lieber von einer vierten Persona reden, die in Jimmy erwacht ist, nämlich jene von James McGill, ein gereifter Jimmy, der Verantwortung für seine Taten übernimmt.

Eine beinahe meta-artige Szene im Gefängnisbus, in welcher die Gefangenen den Namen der Serie im “We Will Rock You”-Gewand einstimmen, inszeniert Saul Goodman als die Legende, die unsterblich ist: der Criminal Lawyer aus dem Fernsehen. Er ist einer von ihnen und nun teilen sie sich endlich ein Dach.

Daraufhin rollt die Folge langsam aus mit einem bittersüßen Wiedersehen zwischen Jimmy und Kim im Gefängnis. Die inzwischen ikonische Rauch-Szene aus der Tiefgarage – die allererste Interaktion zwischen Jimmy und Kim – erhält ein Encore und dieses Mal ist die noir-angehauchte Szene tatsächlich schwarz-weiß; bis auf die Glut der Zigarette, die symbolhaft in Farbe leuchtet.

Kim verlässt das Gefängnisgelände und der Anblick von Jimmy hinter einer Reihe an Zäunen ist herzzerreißend und tröstend zugleich. Obwohl er nie mehr seine Freiheit zurückerlangen und mit Kim zusammen sein wird, so wird sich sein Leben im Knast mit Sicherheit farbiger gestalten als seine Zeit in Omaha.

Fazit:

Nahtlos ist das Wort dieses Finales. Nahtlos werden hier zwei Stränge miteinander verwoben. Nahtlos wird ein Kreis geschlossen, der vor 14 Jahren begonnen und über elf Staffeln erzählt wurde. Es ist ein in jeder Hinsicht perfektes, würdiges und erhabenes Ende für eine der besten Serien aller Zeiten. Die Subtilität der Geschichte schwingt noch lange mit und man wird noch lange über das Ende von Jimmy und Kim nachdenken. Es ist bittersüß, befreit von Kitsch, und beinahe noch poetischer als das Ende von Breaking Bad. Vince Gilligan und Peter Gould haben erneut bewiesen, dass ein Serienfinale durchweg perfekt sein kann. Mir fällt es also sehr einfach, die dritte Höchstwertung für diese Staffel zu vergeben.

Bewertung: 10

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Fazit

9.2/10
Meisterwerk
Community-Rating: (37 Votes)
Wein und Rosen 8.5/10
Zuckerbrot und Peitsche 9.1/10
Pest und Cholera 9.4/10
Hit and Run 9.2/10
Blaue Flecken 8.4/10
Hacken und Schleifen 7.4/10
Plan and Execution 10/10
Draufhalten und Abdrücken 9.8/10
Spaß und Streiche 9.6/10
Nippy 8.9/10
Rein oder raus? 9.3/10
Tränen 10/10
Saul ist weg 10/10
Details:
Showrunner: Peter Gould, Vince Gilligan,
FSK: 16 Epiosden: 13
Besetzung: Bob Odenkirk, Giancarlo Esposito, Jonathan Banks, Rhea Seehorn, Tony Dalton,

Die sechste Staffel Better Call Saul schließt den Kreis eines perfekten Franchise-Zyklus. Vince Gilligan und Co. übertreffen ihre selbst gesteckte Messlatte mit großartigem Charakter-Drama, das zeigt, was Qualität in Skript und Schauspiel bedeutet. Besonders in den letzten Folgen der Staffel schafft Better Call Saul ein dramaturgisches Momentum, das fesselt, berührt und zum Nachdenken anregt. Danke für alles, Gilligan. Ich ziehe den Hut.

Artikel vom 16. August 2022

2 Kommentare
  1. Matt Eagle
    Matt Eagle sagte:

    Szenen, die mir aufgefallen sind in dieser Episode: Wie kleinlaut Jimmy neben Kim wirkt vor dem Aufzug und speziell auf der Trauerfeier. Wie perplex er schaut als Kim nach all den Vorfällen Howard’s Witwe doch noch mal ausholt und diese Bullshit-Story vom Koksen erzählt.
    Symbolcharakter hat auch die Frequenz, als Gus nach Hause zurück kehrt und wie befreit und entspannt er ist während er die Fensterläden öffnet.
    Der weltgrößte Menschenfreund ist Gus Fring sicherlich nicht; umso verwunderlicher ist seine offene Umgänglichkeit mit dem Weinkellner. Dicke Zigarre, fleischiger und blutiger Geschmack des Weins….irgendwie scheinen diese Begriffe den Hühnermann zu triggern und bringen ihn anscheinend auf eine (neue) Idee, weswegen Gus Frings seinen als ganz persönlich angedachten Abend abrupt abricht.

    Antworten
  2. Ben FRÄGT
    Ben FRÄGT sagte:

    Sechs Staffeln lang hat Gene im tristen und farblosen Omaha alte Werbespots auf VHS Kassetten angeguckt. Jetzt sind die VHS-Bänder völlig abgenudelt und abzuspielen gibt es auch nichts mehr. Jetzt wird in den record-modus gewechselt und ein neues Kapitel wird aufgezeichnet.

    Antworten

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