Es soll die längste Schlacht der Film- und Seriengeschichte sein, so zumindest der Regisseur Miguel Sapochnik. Damit würde die Schlacht um Winterfell sogar die epische Belagerung von Helms Klamm aus Der Herr der Ringe: Die Zwei Türme übertrumpfen. Dabei muss uns Game of Thrones gar nicht mehr beweisen, dass es visuell eigentlich auf die große Leinwand und nicht auf den TV-Bildschirm gehört.
Wer diese Folge im voll beleuchteten Zimmer auf seinem verstaubten Fernseher geschaut hat, wird es schnell bereut haben. Denn die ersten 15 Minuten sind so dunkel, dass man sein eigenes Gesicht im Schlachtfeld sieht. Tja, wer wollte nicht schon mal in Game of Thrones mitspielen?
Dabei ist der dunkle Ton der Bilder absolut gewollt und funktioniert auf hochwertigen Fernsehern in absoluter Dunkelheit wunderbar. Die Folge heißt ja nicht umsonst Die Lange Nacht. Spätestens, als Melissandre unsere Bildschirme erleuchtet, sehen selbst die Zuschauer ohne Rollläden das gigantische Ausmaß der inszenierten Schlacht – die größte Schlacht aller Zeiten. Sie beginnt und das Fan-Herz pocht.
Die ersten Minuten des Kampfes um Winterfell sind pures Adrenalin. Die Dothraki, deren feurige Schwerter in der Dunkelheit erlöschen, der nervenaufreibende Soundtrack von Ramin Djawadi, der mit seinem ansteigenden Shepards Tone an den maschinellen Score aus Dunkirk erinnert, und die erste Angriffswelle, die vor lauter Shaky Cam den Zuschauer komplett aus der Komfortzone zerrt.
Sobald die Drachen das erste Feuer spucken, kann man nachvollziehen, weshalb elf Wochen Dreharbeiten für dieses Spektakel geopfert wurden. Die Schlacht um Winterfell ist ein visuelles Meisterwerk. Auch die Drachenflüge durch Sturm und Wolken sehen um einiges besser aus als noch in der Auftaktfolge Winterfell. Wen hat der Schneesturm ebenfalls an Mad Max: Fury Road erinnert?
Das Schlachtengetümmel ist dreckig, fetzig und erbarmungslos. Es ist wie ein Hybrid aus Der Herr der Ringe, World War Z, Dunkirk und Harry Potter. Dennoch erwarte ich in so einem Gefetze deutlich mehr relevante Tode. Ed in allen Ehren, doch er zählt nicht. Auch Lyannas Ableben, so heldenhaft es gewesen ist, schockiert mich wenig. Die Serienmacher inszenieren mehr Gefahr für unsere Hauptcharaktere, als sie wirklich ausgesetzt sind.
Ein brutaler Tod von Jaime oder Brienne wäre zwar vorhersehbar gewesen, doch ebenso konsequent. Stattdessen kämpft der einarmige Ex-Schwertmeister für eine Stunde alleine gegen eine Horde von Zombies und ist dabei in jeder Sekunde nur ganz knapp vom Tod entfernt. Auch Jon Snow rettet sich aus Szenen, die eigentlich einen brutalen Tod garantieren.
Dennoch sind die Spannungs-Peaks grandios. Regisseur Sapochnik findet geschmeidige Übergänge von Szene zu Szene und inszeniert die Schlacht mit einer rhythmisch durchdachten Dynamik, ohne die eine 80 minütige Actionszene niemals ertragbar gewesen wäre. Laute und leise Momente wechseln sich fließend ab. So gehört Aryas Stealth-Szene in der Bibliothek zu den nervenaufreibendsten Momenten der Folge und lässt The Walking Dead vor Neid leichenblass werden.
Leider verschenkt die Folge aber auch Potential. Wir alle haben das Drama in der Krypta kommen sehen. Die toten Starks erheben sich aus den Gräbern und greifen die Frauen und Kinder an. Doch die Szene wirkt erstaunlich beiläufig und undramatisch. Was hätte man aus diesem Massaker in der Krypta alles an Horror und Drama herausholen können? Warum sehen wir keinen toten Zombie-Rickon? Warum überlebt jeder Charakter mit Namen diesen aussichtslosen Angriff? Naja, immerhin hat sich diese Krypta-Fan-Theorie bestätigt.
Das Finale spaltet die Fans. In einer beinahe schon surrealen Szenencollage, untermalt von Ramin Djawadis monumentalem Score, bahnt sich der Showdown zwischen Bran und dem Nachtkönig an; der letztendlich nicht passiert. Kurz nachdem Theon sein kathartisches Ende findet, stößt Arya dem Nachtkönig einen allseits bekannten Dolch in den Wanst. Und das war’s. Drei Folgen vor dem eigentlichen Finale ist der Endgegner besiegt. Wir wissen nicht, ob wir feiern oder die Stirn runzeln sollen.
Dass Arya nun “die Auserwählte” ist, stößt einige Fans vor den Kopf. Sie ist nämlich bei weitem nicht der beste Fit für die große Prophezeiung um “Azor Ahai”. Dennoch gab es seit Staffel 3 genug Hinweise, die wir alle sorgfältig übersehen haben. Die vielsagende erste Konversation zwischen Arya und Melissandre aus Staffel 3 Folge 5 hätte uns alle schon wachrütteln sollen. Natürlich wird Arya die “blauen Augen für immer schließen”. Enttäuschung hin oder her, an dieser Stelle muss man die Drehbuchautoren loben, Aryas wichtigsten Kill trotz mehrerer Hinweise erfolgreich verschleiert zu haben.
Jetzt fragt sich nur, ob Staffel 8 dazu in der Lage ist, nach dem gewonnen Krieg gegen die Weißen Wanderer noch einen zweiten Konflikt heraufzubeschwören, der die Serie nicht auf antiklimatische Weise beenden wird. Ist Cercei wirklich das größere Übel? Nein, nicht wirklich. Dennoch ist die Entscheidung der Drehbuchautoren vermutlich richtig, den Triumph über den Nachtkönig dem Krieg um den eisernen Thron vorzuziehen. Denn das Spiel der Throne bietet viel größeres Potential für emotionale Pay-Offs als die Besiegung eines emotionslosen Schneemanns.
Womit ich mich allerdings (noch) nicht anfreunden kann, ist Brans pure Passivität. Das wäre der perfekte Moment gewesen, um einen alles entscheidenden Twist mit Mindfuck-Qualität einzubinden, um den Nachtkönig zu besiegen. Stattdessen wird die Angelegenheit einfach und straightforward geregelt. Das ist immer noch gut genug, aber nicht das, was sich der gehypte Fan erhofft hätte
Fazit: Folge 3 ‘Die Lange Nacht’
Die Schlacht um Winterfell ist ein visuelles und dramaturgisches Meisterwerk, dass aufgrund der immens hohen Erwartungen zwar nicht mehr den Wow-Effekt einer Schlacht der Bastarde erzielen kann, aber dennoch gnadenlos fesselt. Dennoch hätte ich mir noch mehr storytechnische Raffinesse erhofft. Ja, Bran, du bist gemeint. Die Liste der Gefallenen ist zwar beachtlich, aber dennoch zu “sicher” und berechenbar. Mindestens ein Major Player hätte im endlosen Schlachtengetümmel sein Ende finden müssen. Doch man sollte die Nacht nicht vor dem Tag loben – bis jetzt bleibt Die Lange Nacht ein bombastisches und poetisch dirigiertes Action-Fest, das neue Maßstäbe setzt, und es liegt an den letzten drei Folgen, diese Folge als keinen großen Fehler dastehen zu lassen.
Episodenrating: 92%
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