Simple Story wird ausufernd erzählt
Die Geschichte in Godless – Staffel 1 ist kein Hexenwerk. Und daraus machen die Showrunner auch keinen Hehl. Selbst wenn vier Storylines parallel zueinander erzählt werden, ist der Zuschauer zu keiner Zeit überfordert. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, immerhin bekamen wir 2016 mit Westworld bereits einen Mindfuck-Western geboten.
Leider krankt es deshalb an echten Überraschungen. Das Schicksal von La Belle wurde bereits im Trailer offenbart, die Herkunftsgeschichte von Roy kann man sich schon ab Folge 2 ausmalen, selbst die gleichermaßen heftige wie rätselhafte Exposition wird in Rekordzeit aufgelöst. Alles andere wird Stück für Stück in einer Vielzahl an Flashbacks gezeigt, nur ohne großartige Wendungen zu bewirken. So bleibt die Miniserie trotz furiosem Finale eben doch einfach nur ein sehr langer Western, der bis auf die Prämisse wenig Neues zu bieten hat.
Western-Feeling pur
Was die Produzenten von Godless – Staffel 1 aus dem Effeff beherrschen, ist die mitreißende und authentische Atmosphäre, die das Heimkino rasch in Western-Feeling hüllt. Kostüme, Set, die großzügigen Landschaftsaufnahmen und packenden Schießereien zeugen von der handwerklichen Exzellenz der Schöpfer. Besonders hervorzuheben ist der herausragende Soundtrack, der mal mit melancholischem Violinenspiel, mal mit wuchtigem Orchester aufwartet – dabei aber stets das Herz jeder Szene trifft.
Insgesamt wirkt Godless – Staffel 1 weit weniger steril als Westworld. Die Bilder sind untersättigt, der von den Pferden empor gewirbelte Staub ist förmlich spürbar, der Ton wirkt dreckig und rau. Die Optik ist hier ein großes Plus. Leider hat man ausgerechnet bei den Flashbacks im Colour Grading gründlich daneben gegriffen: die Rückblenden sehen eher nach Sin City aus, als nach glaubhafter Westernkulisse.
Überragender Daniels & toughe Ladies
Schauspielerisch spielt Godless – Staffel 1 wieder in den oberen Rängen mit. Natürlich ist das Hauptaugenmerk auf den weiblichen Darstellern, bei denen vor allem Michelle Dockery und Merritt Wever als facettenreiche und kantige Charaktere überzeugen. Auch die restlichen Schauspielerinnen machen ihre Sache hervorragend, doch es wird weniger Zeit mit der Charakterzeichnung der Dorbewohnerinnen verbracht, als man sich vielleicht erhofft hat. Den feministisch angehauchten Gegenentwurf zum Status Quo à la Wonder Woman bekommen wir hier leider nicht zu sehen.
Die männlichen Gegenparts sind ebenfalls sehr gut gecastet. Hauptdarsteller Jack O’Connell funktioniert als gutaussehender Held mit fragwürdiger Vergangenheit, doch es sind gerade Darsteller wie Scott McNairy und Thomas Brodie-Sangster (Game of Thrones), die ihren gut geschriebenen Figuren die nötige Tiefe und Herzlichkeit geben, um sieben Folgen lang mitzufiebern.
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