Kritik: Lupin – Staffel 1
GENTLEMAN-MORIARTY
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Der senegalesische Einwanderer Babakar Diop (Fargass Assandé) wird nach schwammigen Beweisen für ein Verbrechen verhaftet und begeht anschließend im Gefängnis Selbstmord. Dabei lässt er seinen Sohn Assane Diop (Mamadou Haidara) im teenageralter als Weisen zurück. Jetzt ist Assane (Omar Sy) jedoch ein erwachsener Mann und von der Unschuld seines Vaters überzeugt. Auf seiner Mission diesen zu rächen, kommt er durch seine geschickten Coups auf eine heiße Fährte. Doch bereits der kleinste Fehler könnte ihm mehr als nur sein Leben kosten.
Zunächst hatte ich eine Heist-Serie erwartet, aber das ist sie ganz klar nicht. Action und Blut werden hier ersetzt durch clevere Coups und emotionale Dramaturgie. Dem Trailer nach erwartet man also im übertragen Sinne den Sherlock-Film mit Robert Downey Jr., bekommt aber die Serie mit Benedict Cumberbatch.
Dazu muss man aber leider sagen, dass Sherlock Holmes zweimal darüber nachgedacht hätte, seine Schritte genauso zu wählen, wie es in einem bekannten Buch steht. Daher ist es doch fragwürdig, ob es denn von Assane Diop so klug ist, seine Coups von einer bekannten Romanfigur zu übernehmen … ist doch voll vorhersehbar! Tja, nicht wenn die Polizei kaum Kombinierungsgabe besitzt und die einzige Stimme, die Assane auf der Spur ist, nicht ernst nimmt und sogar auslacht. Das kommt mir selbst für die dargestellte Polizei doch etwas engstirnig und unrealistisch vor. Außerdem ist im Gegensatz zum vielschichtigen Protagonisten Assane Diop der Gegenspieler Hubert Pellegrini (Hervé Pierre) eher eindimensional. Heutzutage erwartet man von Antagonisten dann doch mehr als nur den 0815 Bösewichten a lá Goldfinger.
Abgesehen davon macht es aber (vor allem wenn man die Bücher nicht kennt) Spaß, am Ende der Folgen zu sehen, wie genial durchdacht die Pläne von Assane, bzw. Arsène Lupin, sind. Man lernt ihm dadurch im Verlauf der Handlung so arg zu vertrauen, dass er die ganze Zeit mit seinem Masterplan im Hinterkopf, alles im Griff zu haben scheint. Wann immer etwas nicht nach seiner Nase läuft, ist man schließlich derartig involviert, dass es einen als Zuschauer aus der Bahn wirft. In den wenigen Folgen ein solches Involvement zu schaffen, ist eine Leistung, vor der ich auf jeden Fall meinen imaginären Zylinder ziehe.
Omar Sy spielt mit? Natürlich schaue ich das! Als Schauspieler und in all seinen Rollen bringt er Freude und ist halt einfach ein unglaublich sympathischer Typ. Aber abgesehen davon verkörpert er die erwachsene Version von Assane Diop authentisch und nachvollziehbar. In emotionalen Momenten fühlt man durch sein Spiel mit ihm und er braucht keine Worte, um dem Charakter genügend Tiefe zu geben.
„Arsène Lupin ist mehr als ein Buch. Es ist mein Erbe. Meine Methode. Mein Weg. Ich bin Lupin.“
Assane Lupin in Lupin
Das gilt auch für das junge Talent Mamadou Haidara, der die verlorene und gleichzeitig wütende junge Version von Assane verkörpert. Dieser schafft es, dir in den Rückblicken zu verstehen zu geben, wie aus ihm der Gentleman-Gauner wurde, der er heute ist. Doch leider ist diese Entwicklung sehr abrupt, sodass der Zuschauer etwas verwirrt zurückgelassen wird, vor allem, als noch eine dritte Version von Assane etabliert wird, der auf dem Hoch seiner Gauner-Karriere ist.
Zudem muss man auch anmerken, dass Omar Sy eher wirkt wie ein Schlitzohr als ein „Gentleman“, aber das gibt der Serie eher einen sympathischen Touch, als dass man das groß als Kritikpunkt anmerken könnte. Doch leider nehmen die wenigen Folgen der Serie auch die Möglichkeit, diese Entwicklung angenehm zu zeigen und auch tief gehende Beziehungen zu etablieren. Daher wirken viele zwischenmenschliche Beziehungen eher oberflächlich. Aber nicht nur die Authentizität der Beziehungen leidet unter der geringen Screentime von Lupin.
Es werden in der Serie sehr aktuelle und wichtige Themen angeschnitten. Am meisten Raum nimmt hier Klassismus resultierend aus dem systematischen Rassismus in der Gesellschaft ein. Als senegalesische Einwanderer werden die beiden Diops als Menschen zweiter Klasse behandelt, sowohl von der Oberschicht, für die der Vater arbeitet, als auch vom Staat, der den Tod desselbigen als nebensächlich behandelt.
Dabei scheint Assane diese Angst der Menschen als Rassisten entlarvt zu werden optimal für sich einzusetzen, was aber keineswegs die Ernsthaftigkeit des Themas in Frage stellt. Spannend ist auch, wie Charaktere der Oberschicht enttarnt werden. Zwar scheinen sie oberflächlich sympathisch zu sein, doch ihr nettes Verhalten wirkt zunehmend oberflächlich. Wenn es zu anstrengend wird, hört die Loyalität gegenüber marginalen Gruppen auf. Abgesehen von den Ungerechtigkeiten die Babakar und Assane Diop widerfahren, finden sich auch weitere Themen in der Serie, wie Mobbing am Arbeitsplatz. All das wird dem Zuschauer nicht auf das Auge gedrückt, aber es gibt der Serie eine Tiefe, die zum Nachdenken anregt und einen auch so schnell nach Beenden der ersten Staffel nicht mehr loslässt… mal ganz abgesehen von einem Cliffhanger, der verboten werden sollte!
Allgemein ist die Serie jedem und jeder Sherlock-Liebhaber:in zu empfehlen. Wenn man Action erwartet, wird man hier zwar enttäuscht, aber man kriegt dafür eine ganze Palette an Schauspielkunst und spannenden Coups mit erleuchtenden „Aaaah“-Momenten. Leider fehlt es bei manchen Charakteren und Beziehungen an Tiefe, was der stark begrenzten Folgenzahl zu Grunde liegt und vieles ist schlichtweg unrealistisch. Doch alles in allem ist die französische Serie sehenswert und seien wir mal ehrlich: wie kann man Omar Sy (in egal welcher Rolle) nicht mögen?
Artikel vom 31. Januar 2021
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