Kritik: Game of Thrones – Staffel 3
VERSAGER, VERRÄTER UND VERLIERER – IN STAFFEL 3 WIRD ABGERECHNET
Jetzt direkt streamen auf:
[jw_add_widget-sc]
VERSAGER, VERRÄTER UND VERLIERER – IN STAFFEL 3 WIRD ABGERECHNET
Jetzt direkt streamen auf:
[jw_add_widget-sc]
Es ist der Morgen danach. Die Schlacht am Schwarzwasser ist vorüber. Dank Tyrion, seinem Vater Tywin und dem Haus Tyrell konnte die Flotte von Stannis Baratheon vernichtet werden. Es scheint so, als sei alles beim Alten geblieben. Joffrey Baratheon sitzt noch immer auf dem Thron der Sieben Königslande, Stannis Baratheon sehnt sich noch immer nach ebendiesem stacheligen Metallding und Robb Stark, der König des Nordens, rebelliert nach wie vor gegen die Regentschaft des Hauses Lennister und sehnt sich nach Genugtuung für das Unrecht, das seiner Familie angetan wurde.
Nicht verpassen: unsere Zusammenfassung von Game of Thrones
Doch es ist eben nicht alles beim Alten geblieben. Am Morgen nach der Schwarzwasser-Schlacht leidet Westeros unter dem Kater. Der äußert brutale Krieg – mit Schlächtern auf allen Seiten – hat weite Teile des Reiches verwüstet. Hunger, Gewalt und Tod suchen die Königslande heim. Das “Spiel der Throne” hat dem einfachen Volk übel mitgespielt.
Unterstützung bekommt Haus Lennister durch ein neues Bündnis mit den Tyrells, deren Lande und deren Reichtum bisher vom Krieg verschont wurden. Doch lassen sich die Tyrells von Tywin Lennister nicht herum schubsen. Der Auftakt für eine spannende Konstellation zu Hofe.
Stannis (Stephen Dillane) ist einer der größten Verlierer der zweiten Staffel. Er hat seine Armee, seine Macht und seinen Einfluss bei der Schlacht um Königsmund verloren. Geschlagen hat sich der stolze Stannis Baratheon in seine Burg Drachenstein zurückgezogen. Dort sitzt er nun. Seine Soldaten sind entweder tot oder haben ihn verlassen. Seine anhaltende Pechsträhne beim Spiel um den Eisernen Thron verbittert ihn und verhindert, dass er neue Verbündete findet.
Wer ihn nicht verlassen hat, ist die stets blutrot gekleidete Priesterin Melisandre (Carice van Houten), die ihn nach wie vor mit einer Mischung aus Sex-Appeal und Zaubertricks zu manipulieren weiß. Dabei schafft es die Serie jedoch nicht klarzustellen, warum Stannis, der eigentlich äußerst prinzipientreu und rechtschaffend zu sein scheint, Melisandre so verfallen ist. Es fehlen Szenen, die einen hinter die grimmige Miene des Thronanwärters Stannis schauen lassen. Was er wirklich denkt, bleibt im Verborgenen.
Offenkundig ist jedoch, welch großen Einfluss die Rote Priesterin auf Stannis und dessen verbliebe Gefolgschaft hat. Den Fanatismus ihrer neugewonnenen Gefolgschaft treibt sie auf die Spitze. Game of Thrones – Staffel 3 definiert dabei das Wort Hexenverbrennung neu. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Inquisition, werden auf Drachenstein Hexen nicht verbrannt. Stattdessen verbrennen Hexen. Und zwar Menschen. Und das macht Melisandre besonders gerne. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie Religion missbraucht werden kann. Das geht sogar so weit, dass sich Stannis’ Ehefrau ausgelassen über den Scheiterhaufen-Tod ihres eignen Bruders freut. Endlich würden seine Sünden reingewaschen. Sei das nicht toll? Einfach gruselig. Aber gruselig gut!
Auch Jamie Lennister (Nikolaj Coster-Waldau) ist ein Verlierer. Zugegeben, ihm geht es zu Beginn der dritten Staffel besser, als noch in der zweiten Staffel. Schließlich hat Catelyn Stark (Michelle Fairley) – zum Ärger ihrer Gefolgsleute und ihres Sohnes – die wertvolle Geisel heimlich aus der harten Gefangenschaft entkommen lassen. Ihre Absicht: Jamie gegen ihre, von den Lennisters gefangenen Töchter, auszutauschen. Mit dem Auftrag Jamie nach Königsmund zu seinem Vater Tywin Lennister zu bringen hat Catelyn die edle Lady Brienne (Gwendoline Christie) betraut.
In ihr findet Jamie, der sich rühmen darf der beste Schwertkämpfer Westeros‘ zu sein, eine ebenbürtige Gegnerin. Aber nicht nur das. Zwischen dem ungleichen Paar entsteht eine Bindung. Dabei schafft es Game of Thrones – Staffel 3 das Vertrauen, das zwischen den beiden vermeintlichen Gegnern Brienne und Jamie erwächst, behutsam und sensibel zu inszenieren, ohne dass der Handlungsstrang in eine platte Romanze abdriftet. Eingestehen würden es sich die Beiden niemals, aber für die Dauer ihrer Reise sind sie Blutsbrüder. Die Beziehung, womit keine romantische Affäre gemeint ist, ist eine der interessantesten und am wenigsten beachtetsten der ganzen Serie.
Ein weiteres ungleiches Paar sind Jon Schnee (Kit Harrington) und Ygritte, die Wildlingsfrau. Auch Jon hat einiges verloren. Seine Kameraden und seine Freiheit. In Gefangenschaft der Wildlinge, die sich unter dem Banner Manke Rayders (Ciarán Hinds) vereint haben, bleibt ihm nicht viel anderes übrig, als sich diesen zum Schein anzuschließen. Bei seiner Geheimagenten-Mission hofft er Informationen zu gewinnen, die der Nachtwache von Nutzen sein könnten. Jon Schnee, der den Eid, den er der Nachtwache geschworen hat, besonders ernst nimmt, muss in Game of Thrones – Staffel 3 mit seinem Gewissen ringen. Auf seiner Mission muss er feststellen, dass die Welt nicht so schwarz (Nachtwache) und weiß (Wildlinge) ist, wie er es seit Kindheitstagen lernte. Besonders Ygritte (Rose Leslie), die rothaarige und wilde Schönheit, stellt seine Standhaftigkeit fortwährend auf die Probe. Wie schon Jamie und Brienne sind auch Jon und Ygritte ein ungleiches Paar. Die Reibereien zwischen den Beiden und die neckische Art Ygrittes sind eine Bereicherung des sonst so schwermutigen Handlungsstranges des Jon Schnee.
Auch Theon muss bezahlen. Der Verrat an den Starks, die immer gut zu ihm waren, kommt ihn teuer zu stehen. Der Preis, den er zahlen muss, ist sicher der Höchste. In den Händen eines leidenschaftlichen Sadisten verliert er seinen Hochmut, Körperteile und vor allem eins: seine Identität. Die Figur Theons macht bisher zu jeder Staffel eine Wandlung durch. Zuerst loyaler, wenn auch etwas nörgeliger Anhänger Robb Starks, später Verräter an eben diesem und jetzt das. Sein Peiniger, der seine Identität zunächst nicht preisgibt, zerstört in gnadenloser Perfektion die Psyche Theons und erschafft etwas vollkommen Neues.
Die ohnehin schon außergewöhnlich gewalttätige und erbarmungslose Serie Game of Thrones legt bei Theons Schicksal noch eine Schippe oben drauf und serviert erstklassigen Psycho-Thriller, der in seiner Vehemenz nur schwer auszuhalten ist. Dabei überzeugt und schockiert vor allem Theons Folterknecht. Das Schauspiel von Iwan Rheon ist so vielschichtig und seine Rolle so perfide, dass mit gutem Gewissen, von einer wirklich einzigartigen und ungesehenem Handlung gesprochen werden darf. Besonders beeindruckend ist, das Iwan Rheon seine Rolle nicht als 08-15-Psychopath spielt. Kein hysterisches Gegacker, keine wilden Gewaltexzesse. Viel mehr entsteht der Eindruck, dass seine Figur ein Psychologie-Student ist, der der Frage nach geht, an welchem Punkt und durch welche Methoden ein Mensch seelisch bricht. Dadurch entsteht der wahre Horror und die schaurige Faszination die sich um den mysteriösen Folterer dreht.
Wer nicht verliert, ist Daenerys Targaryen (Emilia Clarke). Tatsächlich ist sie die eigentliche Gewinnerin in Game of Thrones – Staffel 3. Endlich, muss man sagen. Denn in den ersten zwei Staffeln der Erfolgsserie war Daenerys entweder in der Gewalt ihres Bruders, der Dothraki, oder später der Obrigkeit von Qarth gefangen. Oder aber, sie zog durstig mit einem lumpigen Haufen Gefolgschaft durch die Wüste. Sie musste bisher immer reagieren statt frei über ihr Schicksal zu entscheiden. In Staffel 3 erhebt sich Daenerys jedoch aus der Asche ihrer Vergangenheit und schwingt sich auf zu Großtaten. An ihrer Seite: vor allem ihre drei Drachen – die stetig wachsen – und ihr ergebener Berater Jorah Mormont.
Eigentlich will Daenerys, die letzte Nachfahrin des Adelshauses der Targaryen den Eisernen Thron in Westeros erobern. Doch hat sie auch eine weitere Mission. Die Städte, Kulturen und Gesellschaften, die Daenerys auf ihrer Odyssee durch den fernöstlichen Kontinent Essos begegnen basieren auf einem großen Unrecht: Sklaverei. Einem Unrecht, dass die silberblonde Schönheit nicht dulden will.
Auf ihrer Mission die Sklaverei zu beenden erinnert Daenerys peinlich an Jesus. Es ist offensichtlich, wo George Martin, die Inspiration für den Handlungsstrang gefunden hat: in der Bibel. In Game of Thrones – Staffel 3 gibt es Menschen, die an Kreuze genagelt werden, es gibt antike Gesellschaften – die wie zu Jesus Zeiten, die Römer – auf Sklaverei beruhen und es gibt Daenerys, die mit all dem zu brechen gedenkt. In Game of Thrones – Staffel 3, kann sie dabei die Liebe des Volkes – also der Sklaven – für sich gewinnen und erfährt eine nahezu göttliche Anhimmelung der Befreiten. Sie scheint der lang ersehnte Heiland zu sein, der die Ketten der Ungerechtigkeit zersprengt.
Was sie also hat, ist die Gunst der Sklaven von Essos. Was sie jetzt braucht, ist eine Armee. Daenerys geht auf Shopping-Tour und plant ein ganzes Heer von Elitesoldaten, den Unbefleckten, zu erwerben. Gar nicht billig der Spaß. Doch Daenerys hat da eine Idee. Spätestens bei dem Abschluss ihres Einkaufes, kann sich Daenerys Targaryen alias Khaleesi von ihrer Vergangenheit lösen. Aus dem verschüchterten Mädchen, dass ihr Bruder von der ganzen Welt hätte vergewaltigen lassen, ist eine charismatische Führerin geworden. Die Entschlossenheit, das Charisma und die Verbindung aus eiskalter, wenn auch gerechter Brutalität verbindet Emilia Clarke mit warmer Empathie für die Unterdrückten und sorgt für echte Gänsehaut-Momente. In Staffel 3 wird aus passiv aktiv. Willkommen in der Handlung von Game of Thrones, liebe Khaleesi.
In Königsmund, der Hauptstadt der Sieben Königreiche, werden nach dem Sieg über die Flotte von Stannis Baratheon die Karten neu gemischt. Mit von der Partie ist jetzt auch Haus Tyrell, das beim Spiel um den Eisernen Thron nicht leer ausgehen möchte. Auch Tywin Lennister (Charles Dance) ist als Hand des Königs nach Königsmund zurückgekehrt und hat seinen Sohn Tyrion (Peter Dinklage) abserviert. In Olenna Tyrell (Diana Rigg), dem Kopf der Tyrells, findet Tywin jedoch eine ernst zu nehmende Herausforderung. Diana Rigg spielt die wundervoll geschriebene Rolle der in die Jahre gekommenen aber verdammt pfiffigen Olenna Tyrell mit Bravour und bereichert den festgefahrenen Personenstab des Königsmund-Handlungsstranges ungemein. An ihrer Seite steht Margaery Tyrell (Natalie Dormer), die keinen Respekt vor sich selbst zu haben scheint, und sich wie ein Stück Fleisch stets an den mächtigsten Mann schmeißt und versucht diesen um den Finger zu wickeln. Sie ist tatsächlich die Einzige, die es schafft das königliche Monster Joffrey (Jack Gleeson) zumindest teilweise zu zähmen. Etwas woran Cersei Lennister und Tyrion Lennister gescheitert sind.
Ebenfalls Verlierer sind Tyrion und Cersei. Tyrion, der in Game of Thrones – Staffel 2 immerhin als Hand des Königs fungierte, ist wieder in die zweite Reihe der Politik am Hofe versetzt worden. Außerdem soll er Sansa Stark heiraten. Sansa (Sophie Turner), die Geisel der Lennisters, ist wie auch schon in den vorherigen Staffeln, nach wie vor vor allem eins: ein Opfer. Sie schafft es nicht sich aus ihrer Verlierer-Position zu befreien und weint wieder viel. Wirklich schade, dass George Martin und die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss, Sansa nicht mehr zu gestehen und ihre eine Entwicklung ins Drehbuch schreiben. So wie sie ist, geht sie im Meer der vielschichtigen anderen Charaktere der Serie unter und enttäuscht.
Auch in den Reihen des Königs des Nordens, Robb Stark, steht eine Hochzeit an. Edmure Tully ein Vasall von Robb soll für dessen Fehler gerade stehen. Eigentlich hatte Robb (Richard Madden) dem widerwärtigen Lord Walder Frey versprochen eine seiner Töchter zu heiraten, doch Robb brach den Schwur. Zur Wiedergutmachung schickt er Edmure den Verwandten seiner Mutter in den Ehebund. Die pompöse Hochzeit, die unter dem Dach Lord Freys stattfindet, bietet jedoch so einige Überraschungen. Ich denke, dass ich mich nicht aus dem Fenster lehne, wenn ich behaupte, dass diese Hochzeit in ihrer Konsequenz und Einzigartigkeit in die Film- bzw. Seriengeschichte eingegangen ist.
Game of Thrones war nie eine zimperliche Serie. Es gibt in Staffel 3 zwar keine großen Schlachten, doch wird es blutiger denn je. In Game of Thrones – Staffel 3 wird gestorben, wie nirgends sonst. Der Blutdurst der Serie macht dabei keinen Unterschied zwischen Nebenrolle, Hauptdarsteller oder Fanliebling. Vor dem Tod sind alle gleich. Valar morghulis (alle Menschen müssen sterben).
Zieht eine Hauptrolle in die Schlacht, macht sie einen politischen Fehltritt oder hat sie schlichtweg Pech, so stirbt sie. Basta. Für den Zuschauer bedeutet das, dass er sich pausenlos um seine Lieblinge Sorgen machen muss. Die Unwissenheit um die Zukunft der Figuren ist tausendmal spannender als bspw. die Handlung eines James Bond. Als ob der jemals sterben würde.
Die Unberechenbarkeit ist eine der Hauptzutaten des Erfolgsrezepts von Game of Thrones. Während die Handlung klassischer Hollywood-Produktionen ermüdend vorhersehbaren Mustern folgt, beschreitet die Mittelalter-Serie wagemutig und kompromisslos einen einzigartigen und blutigen Weg. Ein Rat an dieser Stelle: Lasst euch die Charaktere nicht zu sehr ans Herz wachsen – wer weiß wie lange sie noch am Leben bleiben.
In Game of Thrones – Staffel 3 gibt es keine bildgewaltigen Schlachten wie in Staffel 2. Stattdessen nimmt sich die dritte Staffel Zeit, neue Figuren einzuführen oder alte zu vertiefen. Die düstere Stimmung, die sich über die Sieben Königslande erstreckt, steckt an und fesselt. Die Abgründe der menschlichen Psyche, die Game of Thrones – Staffel 3 offenbart, erschrecken und faszinieren sogleich. Dabei schafft es die Serie Elemente unterschiedlicher Genres zu vereinen, ohne dass sie ihren eigenen erbarmungslosen Charakter verliert. In der Summe ist Game of Thrones – Staffel 3 die bisher Beste. Das liegt sicher auch an dem gestiegenen Budget, doch vor allem an der schauspielerischen Leistung einzelner Darsteller. Die enge Bindung, die das Publikum während der ersten und der zweiten Staffel zum Cast aufbauen konnte, bewährt sich hier, sodass ein mitfiebern, mitschwitzen und mitleiden garantiert ist.
Artikel vom 19. April 2016