Statt eines wilden Survival-Trips schneidet der Film zurück in die Zivilisation und wir bekommen einen kleinen Exkurs, wie alles begann. Doch dann stellt sich heraus, dass dieser Exkurs eigentlich die Hauptstory des Films ist. Das Skript springt dann nur noch sporadisch zurück in die Gegenwart. Dieses doppelbödige Storytelling ist zwar gut gemeint, für einen (potentiell) spannungsgeladenen Horror-Thriller aber die falsche Wahl. Dadurch können wir uns nämlich auf keinen der beiden Handlungsstränge voll fokussieren.
Der Storyverlauf in der Gegenwart, hauptsächlich also die Flussfahrt, spielt sich innerhalb weniger Stunden ab. Jedes Mal, wenn also zurück zu diesem Strang geschnitten wird, bekommen wir eine Anzahl der vergangenen Stunden eingeblendet. Das bringt uns Zuschauern überhaupt nichts – es unterstreicht weder die Spannung, wenn uns die Info erreicht, dass die drei Hauptcharaktere schon 8 Stunden lang unterwegs sind, noch kompensiert es die fehlende Dramaturgie. Hätte man diesem Strang einfach mehr Freiraum gegeben und sich z.B. etwas mehr am kompromisslosen Slow-Burn eines The Revenant orientiert, wäre aus dieser Flussfahrt eine sauspannende Angelegenheit geworden.
Allgemein ist die einsame und bedrohliche Wildnis der viel effektivere Schauplatz für diesen Film. Doch es wirkt schon fast so, als konnte sich Regisseurin Susanne Bier nicht entscheiden, welchen atmosphärischen Stil sie mit ihrem Film verfolgen will.
Den richtigen Ton finden
Das Problem an The Happening ist, dass er sich viel zu ernst nimmt; und das macht ihn unfreiwillig komisch. Bird Box will dieses Fettnäpfchen umgehen, indem die apokalyptische Stimmung immer wieder mit Humor aufgelockert wird. Die Ironie ist, dass der Film gerade durch diesen vollkommen unpassenden “Bathos” (humoristische Auflockerung von Spannung) an Authentizität verliert.
Als zum Beispiel ein Nachrichtenbericht von 10.000 Toten in Europa spricht, scheinen Malorie und ihre Schwester Jessica (Sarah Paulson, American Crime Story) die Situation kein bisschen ernst zu nehmen und necken sich stattdessen lieber mit ihren Alltagsproblemen. Es macht den Eindruck als wäre Regisseurin Susanne Bier nicht mit genug Selbstbewusstsein an die Thematik herangegangen, denn der Film belächelt sich immer wieder selbst, während er in anderen Momenten auf bitteren Ernst macht.
Charakter-Stereotype vermeiden
Den leicht trashigen Unterton des Films verdanken wir vor allem der Nebenbesetzung. Wie es sich für einen Survival-Film gehört, findet sich eine Gruppe vollkommen verschiedener Charaktere zusammen. Bis auf die Figuren von Sandra Bullock und Trevante Rhodes, die das obligatorische Liebespaar des Films werden, sind die Charaktere bloße Karikaturen der Horrorfilm-Stereotypen. Es gibt den fluchenden Taff-Guy, das naive Sexy-Girl, den lustigen Sidekick und John Malkovich als „Arschloch“. Malkovichs tuntige und selbstironische Art fühlt sich im bedrohlichen Setting an wie ein Fremdkörper.
Natürlich wird die große Gruppe Stück für Stück ausgedünnt – und das ist gut so. Denn je mehr Sandra Bullock in den Mittelpunkt des Geschehens rückt, desto mehr entfaltet der Film sein Potential. Ihre Performance ist in einigen Momenten kraftvoll und ungeschliffen. Dazu durchläuft ihr Charakter als überforderte Mutter tatsächlich eine beachtliche Wandlung. Im letzten Drittel wird immer ersichtlicher, dass man sich die ganze Survival-Truppe à la The Walking Dead hätte sparen können – Bullock kann den Film mühelos alleine tragen.
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