Kritik: X-Men: Zukunft ist Vergangenheit
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Eigentlich besteht die X-Men Filmwelt aus zwei untergeordneten Reihen. Das einprägsamste Unterscheidungsmerkmal ist „Charles Xavier mit Glatze“ und „Charles Xavier mit Haaren“. Nur Wolverines Herkunftsstory gehört praktisch nirgendwo dazu.
Um dieses Franchise-Wirrwarr aus Sequels, Prequels und Spin-Offs zu entknoten, soll Zukunft ist Vergangenheit alle Charaktere und Handlungsstränge vereinen. Der Film ist praktisch das Pendant zu The Avengers im Marvel Cinematic Universe. Ein großes Zusammentreffen der beliebtesten Charaktere aus verschiedenen Filmen.
Das scheint in erster Hinsicht unmöglich zu sein. Wie können die X-Men, die sich auf einer Zeitspanne zwischen den Jahren 1970 und 2023 verteilen, in einem einzigen Film mitspielen? Von den Franchise internen Unstimmigkeiten im Bezug auf Handlung und Charaktere ganz zu schweigen.
Wir schreiben das Jahr 2023. Ein gewaltiger Krieg zwischen Menschen und Mutanten zerstörte die Erde und sorgte für dystopische Lebensumstände. Die Mutanten werden von Sentinels gejagt, hochtechnologische Killer-Roboter, die jede beliebige Fähigkeit eines Mutanten kopieren können. Der Kampf gegen einen Sentinel ist also ziemlich aussichtslos. Aus diesem Grund ist eine kleine Gruppe von übrig gebliebenen Mutanten ständig auf der Flucht. Das sind unter anderem Iceman (Shawn Ashmore) und Shadowcat (Ellen Page). Letztgenannte hat eine ganz besondere Fähigkeit: Sie kann den Verstand eines Menschen in die Vergangenheit zurückschicken. Sobald also eine Attacke der Sentinels bevorsteht, schickt sie einen ihrer Mutanten-Freunde in der Zeit zurück, um sie selbst vor dem Angriff zu warnen. Nur so konnten sie die Apokalypse überleben.
Der „alte“ Charles Xavier (Patrick Stewart) sucht die flüchtige Mutantengruppe auf, zusammen mit den alten Bekannten Wolverine (Hugh Jackman), Storm (Halle Berry) und sogar Magneto (Ian McKellen, Der Hobbit). Sie verlangen Großes von Shadowcat: Die Mutantin soll Wolverine zurück in die 70er Jahre schicken. Dort hat ein fieser Wissenschaftler namens Boliver Trask (Peter Dinklage, Game of Thrones) erstmals das Sentinel Programm ins Leben gerufen. Der Plan ist jedoch nicht ihn zu töten, sondern sein Leben zu retten. Denn Trasks Tod hat ihn zum Märtyrer gemacht und den Krieg zwischen Menschen und Mutanten erst so richtig entfacht. Wenn das für Wolverine nicht schon genug zu retten wäre, muss er darüber hinaus auch die Freundschaft zwischen Xavier und Magneto wiederherstellen…
Über die X-Men lässt sich streiten. Einerseits zeichnet sich das Universum durch seine Fantasie und Kreativität aus, sowie durch die riesige Fülle an Helden und Charakteren. Andererseits ist das Konzept hinter den Mutanten selbst für Comic-Verhältnisse extrem simpel. Die krassesten und dämlichsten Heldenfähigkeiten werden ganz einfach durch mutierte Gene erklärt. Deswegen sehen wir in X-Men-Filmen auch immer so viele Helden auf einmal, da der Großteil der Truppe einfach keine einzigartige Backstory benötigt. Man merkt, dass die nicht vorhandenen Grenzen und Regeln im X-Men-Universum hin und wieder zu etwas kindischen Superhelden führen.
Das zeigte sich zum Beispiel gehäuft in X-Men 3, aber auch in X-Men: Erste Entscheidung. Da fliegen Mädchen mit Schmetterlingsflügel und Jungs mit Ultraschallwellen durch die Luft, ohne eine echte Fundierung. Natürlich: Es sind Mutanten. Das haben wir verstanden. Doch einiges aus der X-Men-Welt fühlt sich einfach nicht echt an. Das MCU schafft es hingegen, durch sorgfältige Hintergrundstorys selbst so „bescheuerte“ Helden wie Ant-Man glaubwürdig zu gestalten.
Aber natürlich gibt es einige Ausnahmen. Wolverine, Charles Xavier und Magneto sind das Herz der Filme, das auch in Zukunft ist Vergangenheit den Takt vorgibt. Hugh Jackmans Performance als grimmiger Logan ist (wie immer) unterhaltsam und fesselnd zugleich. Sein Charakter ist über die vielen Filme so glaubhaft geworden, dass sich die Leinwandpräsenz des Wolverine wie ein Treffen mit einem alten Freund anfühlt.
Im Mittelpunkt steht jedoch die „Freindschaft“ zwischen Professor X und Magneto, die in Zukunft ist Vergangenheit über zwei Generationen von X-Men Schauspielern erzählt wird. Fanservice? Vielleicht, who cares. Auch wenn es schwer vorzustellen ist, dass Patrick Stewart und James McAvoy der selbe Prof. X in alt und jung sein sollen; es ist spannend beide in einem Film vereint zu sehen.
Michael Fassbender und Ian McKellen kauft man die „vorher-nachher“-Geschichte jedoch völlig ab. Nicht nur die physische Präsenz der beiden Schauspieler passt perfekt zusammen, auch die Ambivalenz von Magnetos Charakter wird sowohl von Fassbender, als auch von McKellen souverän vermittelt. Denn Magneto ist spätestens seit Erste Entscheidung nichtmehr ein echter Schurke. Er ist vielmehr „die andere Seite“ einer Diskussion; das etwas egoistischere Gegenstück zu dem Philanthropen Xavier.
Der echte Antagonist ist hingegen Wissenschaftler Bolivar Trask, der am liebsten jeden Mutanten tot sehen würde. Wir alle freuten uns, den Game of Thrones-Liebling mal in einer etwas anderen Rolle zu sehen – doch die Realität ist ernüchternd. Dinklage ist so langweilig wie noch nie. Zwar fällt sein Charakter nicht besonders negativ oder gar peinlich auf, doch er ist blass und öde. Seine bösen Motivationen, wie der Bau der Sentinel Roboter, bleibt reines Mittel zum Zweck und wird niemals spürbar gemacht.
Glücklicherweise funktioniert Zukunft ist Vergangenheit aber auch gut ohne Bösewicht. Die Gefahren kommen nicht von außerhalb, sondern vielmehr aus den eigenen Reihen der X-Men. Neben Magneto ist ebenfalls Jennifer Lawrence als Gestaltwandlerin Raven eine starke Bereicherung außerhalb des Schwarz-Weiß-Spektrums. Durch ihr impulsives Verhalten nimmt sie Schaden und Verlust in Kauf. Die emotional verwirrte Mutantin findet Stütze bei Charles Xavier, der sie immer wieder auf den Pfad der Rechtschaffenheit zurückführt. Auf der anderen Seite will Magneto sie für seinen Krieg gegen die Menschheit manipulieren. Hier haben wir einen charakterinternen Konflikt, der für einige emotional starke Szenen sorgt.
Wenn man Zukunft ist Vergangenheit mit anderen Genrevertretern wie zum Beispiel The Avengers vergleicht, dann fehlt hier ein richtig großes Set Piece mit Action und Zerstörung. Das stört aber nicht. Dafür bekommen wir in regelmäßigen Abständen fein inszeniertes Superhelden-Geplänkel, dass immer wieder gut unterhält. Das Action Highlight ist eine atemberaubende Zeitlupensequenz aus der Sicht des blitzschnellen Mutanten Quicksilver (Evan Peters), die aufgrund ihrer Genialität für einige Lacher sorgen wird und definitiv im Gedächtnis bleibt. Schade, dass man nur sehr wenig von Quicksilver in Zukunft ist Vergangenheit zu sehen bekommt. In X-Men: Apocalypse wird er mit Sicherheit mehr Screentime bekommen.
Die Auflösung von Zukunft ist Vergangenheit wirkt sich nicht bloß auf den Film aus, sondern auf das komplette X-Men-Franchise. Durch das Zeitreisen/Paralleluniversen-Konzept ging Bryan Singer einen mutigen Schritt, der auch gewaltig in die Hose hätte gehen können. Doch der Plan ging auf: In nur zehn Minuten schafft es Singer, die X-Men-Filme zu vereinen und gleichzeitig die Fehler aus X-Men 3 zu beseitigen. Für diese Sorgfalt gebührt Singer Respekt und Anerkennung, die er mit Sicherheit von der X-Men-Fanbasis erhalten wird.
Es ist nicht nur der beste X-Men-Film, sondern auch der wichtigste für das gesamte Franchise. Neben einem großen Aufeinandertreffen von lieb gewonnenen Charakteren werden inkohärente Handlungsschritte aus damaligen Filmen ausradiert und gleichzeitig zwei separate X-Men-Generationen zusammengeführt. Auch wenn Zukunft ist Vergangenheit im Kern ein weiterer konventioneller Marvel-Streifen ist, überzeugt er durch eine intelligente Handlung mit ausgefeilten Charakteren.
Artikel vom 9. Mai 2016
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