8.5/10

Kritik: The Last of Us – Staffel 1

PILZINFEKTION DER UNANGENEHMSTEN ART

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Genres: Action, Drama, Horror, Zombie, Startdatum: 15.01.2023

Interessante Fakten für…

  • Die Serie wurde vom Erfolgsteam von Chernobyl entwickelt.
  • Game-Director der Spielvorlage Neil Druckmann schrieb am Drehbuch mit und führte in der zweiten Folge Regie.
  • Komponist Gustavo Santaolalla schrieb auch für die Serie seinen weltbekannten Score.

Eines der emotionalsten und beliebtesten Konsolenspiele bekommt durch HBO eine überfällige Serien-Adaption spendiert. Ein riskantes Unterfangen: kann eine Serie funktionieren, wenn die Vorlage schon fast perfekt ist?

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Darum geht’s

Nichts ist, wie es einmal war. Als der Cordyceps-Pilz mutiert und Menschen befällt, um sie zu fremdgesteuerten Zombies zu machen, bricht die Welt in Chaos aus. Mitten unter ihnen: der seelisch gebrochene Joel (Pedro Pascal, The Mandalorian), der sich als Schmuggler zwischen diktatorischen Regierungen und rebellischen Splittergruppen durchschlägt.

Dann trifft er auf Ellie (Bella Ramsay, Game of Thrones). Sie ist immun gegen das Virus und deshalb von hohem Interesse für die Fireflies, eine Untergrundorganisation, die nach einem Heilmittel sucht. Widerwillig stimmt Joel zu, Ellie aus der Quarantänezone zu den Fireflies zu bringen – und tritt damit eine Reihe an gefährlichen Events los.

Wie adaptiert man Perfektion?

The Last of Us ist eines der besten Spiele der vergangenen Dekade. Überhäuft mit so ziemlich jedem Gaming-Preis, gelobt für Storytelling, Musik, Voice-Acting und diesem üblen Kloß im Hals, wenn der Abspann läuft. Das Playstation Exclusive hob Gaming in neue Sphären und zeigte, wie immersiv ein Spiele-Erlebnis sein kann. Zurecht: auch für mich ist das Spiel ein Meisterwerk, an dem sich bis heute die Konkurrenz messen muss.

Ein Game zu adaptieren ist jedoch kein leichtes Unterfangen. Das haben mittelmäßige Horror-Ausflüge (Silent Hill, Resident Evil) und die Filmgurken von Uwe Boll (Postal, Dungeon Siege, Far Cry) ausreichend bewiesen. Doch das Erfolgsteam um den Welthit Chernobyl macht so vieles richtig, was man richtig machen kann. Teilweise mit den (schon im Spiel fantastischen) Originaldialogen und Sets mit absolutem Wiedererkennungsfaktor, teilweise schlau erweitert und mit neuem Kontext gefüllt. Und: sie haben den Fokus des Spiels nicht aus den Augen verloren.

Der Kern der Geschichte kommt ohne Zombies aus

The Last of Us – Staffel 1 ist keine generische Zombie-Kost, wie wir sie 100-mal gesehen haben. Denn die Zombies, so furchteinflößend sie auch sind, spielen eine untergeordnete Rolle. Wie auch zu den besten Zeiten von The Walking Dead geht es um zwischenmenschliche Beziehungen und der Frage, wie sich Menschen verhalten, wenn sie in Extremsituationen kommen. Und wie sie mit Trauer, Nähe, Verlustangst und Einsamkeit umgehen.

Einfach nur am Leben bleiben: Joel (Pedro Pascal) schlägt sich durch die Apokalypse.

Die Konsequenz daraus ist: es gibt sehr wenige Zombies zu sehen. Natürlich kann man nicht erwarten, dass hier neun Episoden lang auf Untote draufgeballert wird, wie es auch im Spiel passiert. Doch die Begegnungen mit dem infizierten Feind sind extrem rar gesät und hätten gerne noch ein paar Mal mehr eingestreut werden können. Was dafür jedoch Platz findet, ist die Konstellation zwischen Ellie und Joel.

Wie Vater und Tochter?

Denn diese zwei – augenscheinlich – ungleichen Protagonist:innen sind der Dreh- und Angelpunkt der Handlung – ihr zögerliches, teils aggressives Herantasten, die Neugier, die auf Ablehnung trifft. Der verbindende Humor, der mit jeder Folge präsenter wird. Die gemeinsamen Momente des Horrors und der Schönheit. In der Serienadaption werden das die Zuschauenden, je nachdem, ob sie die Vorlage kennen, oder nicht, sehr ambivalent sehen.

Im Game passiert viel der Figurenentwicklung ganz nebenbei beim Durchforsten verlassener Häuser und Städte. Dort lernen wir Ellie immer besser kennen – einfach, weil sich das Spiel auch über 20 Stunden dafür Zeit nehmen kann. In der Serie kommen einige dieser zarten Zwischentöne gelegentlich zu kurz. Das ist einerseits der Länge geschuldet, aber auch, weil Ellie und Joel nicht immer der erzählerische Fokus sind. Da wirkt die Figurenentwicklung manchmal doch ein wenig gehetzt.

Wo liegt der Mehrwert der Serie?

Wo die Adaption ihrem Namen alle Ehre macht, sind all die Leerstellen, die das Spiel offengelassen hat. Und hier liegt eine weitere Stärke, denn Fans des Games werden mit der Zunge schnalzen. Einerseits bekommt das Spiel eine ordentliche Portion Realismus verpasst: statt endloser Zombiehorden reichen schon wenige Clicker für einen absolut erbarmungslosen Überlebenskampf. Die Sporen wurden durch ein Kommunikationsnetz des Fungus ersetzt. Und dann werden einige Figuren wunderbar auserzählt.

„You’re a weird kid!“

Joel zu Ellie in The Last of Us – Staffel 1

Da wäre die starke Anfangsgeschichte von Sarah (Nico Parker), der schwelende Konflikt zwischen Joel und Tommy (Gabriel Luna) oder der harte Überlebenskampf von Henry (Lamar Johnson) und Sam (Keivonn Woodard). Sie alle sorgen dafür, dass wir Beweggründe und die Kernthemen der Serie zu spüren kriegen. Denn viele der Nebengeschichten sind auch ein Fingerzeig auf die Beziehungsdynamik von Ellie und Joel. Weniger gelungen hingegen ist die Figur der Kathleen (Melanie Lynskey), deren brachiales Auftreten und intrinsische Motivation auf etwas wackeligen Beinen daherkommt – auch, wenn ihre Thematik als sanftes Foreshadowing zu The Last of Us: Part II gesehen werden kann.

Und dann kam Bill…

Die dritte Folge der Serie entfernt sich erstmals deutlich vom Ausgangsmaterial. Und sie ist ein Meisterwerk! Mit viel Feingefühl, Witz und zwei unglaublichen Schauspielern wird die Geschichte von Bill (Nick Offerman, Pam & Tommy) und Frank (Murray Bartlett, The White Lotus) erzählt. Auch hier steht die Frage nach Verbindung und Beziehung im Fokus. Und das auf bittersüße Art und Weise.

Ein Bild der Verwüstung: “The Last of Us” bietet wunderbar atmosphärische Schauwerte!

Was hier inhaltlich, optisch, musikalisch und atmosphärisch aufgetischt wird, ist Serienkunst in Perfektion. Für Kenner:innen wie auch Neulinge hält die Folge einige Überraschungen parat und webt diese stimmig in die große Storyline ein. Definitiv eine unkonventionelle Art des Storytellings, denn Joel und Ellie spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Und dennoch sagt auch die Dynamik von Bill und Frank wieder viel über das Herz der Geschichte aus.

Pascal brilliert, Ramsay findet allmählich ihre Ellie

Der Cast passt perfekt zu den Figuren der unheilvollen Welt. Pedro Pascal ist der geborene Joel: grummelig, introvertiert, brutal und doch tief im Innern herzlich. Bella Ramsay hat eine wesentlich undankbarere Rolle, denn gegen Ashley Johnsons Ellie aus den Spielen kann man fast nicht bestehen. Sie braucht ihre Zeit, um sich die Figur zu eigen zu machen, taut aber mit jeder Folge mehr auf und trifft zunehmend die richtigen Töne. Gerade in Episode 8 ist dies auch absolut notwendig.

An dieser Stelle soll auch lobend erwähnt werden, wie divers die Serie gecastet ist, ohne dass man das Gefühl von „Virtue Signaling“ bekommt. Denn jede Figur, ob Native American (Graham Greene baut seine Serienerfahrung aus), POC oder Menschen mit Behinderung, fügt sich nahtlos und unaufgeregt ein. Damit führen die Macher:innen gekonnt das fort, was auch im zweiten Spiel extrem gut gelang.

Eine der immersivsten Zombie-Welten

Dass sich die ständig bedrohliche Serienwelt so echt anfühlt, liegt auch an der exzellenten Arbeit aller Gewerke: Ausstattung, die fulminanten Sets, die furchterregenden Untoten – all das zeigt: HBO hat sich nicht lumpen lassen. Die Sets sind wunderbar atmosphärisch und Spielgetreu, das Sound Design lässt einem kalte Schauer den Rücken runterfahren und trotz allem finden auch berührende, ruhige Momente ihren Platz in der Serie.

Bella Ramsay überzeugt im Lauf der Serie immer mehr als Ellie.

Bis zum emotionalen Finale, das für Unwissende sicherlich einem überraschenden Punch in die Magengrube gleicht, gibt es viel zu entdecken und für Kenner:innen erneut nachzufühlen. Dass Komponist Gustavo Santaolalla auch für die Serie den Score komponiert hat, ist nur die Sahne auf der Torte. Man kann nur gespannt darauf sein, wie die Adaption in der bereits bestätigten zweiten Staffel gelingt!

Besser als das Spiel? Jein.

Bei einer Adaption muss die Frage nach ihrer Berechtigung immer gestellt werden. Ergibt es sonderlich viel Sinn, die Serie mit dem Spiel zu vergleichen? Sicherlich. Werden Zuschauer:innen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen? Definitiv. Die Serie macht extrem viel gut, wenn es um das Weiterführen der Geschichte geht. Und gleichzeitig werden einige der immersivsten Momente und die bedacht langsame Annäherung der Protagonist:innen immer wieder stark zusammengekürzt, was sich im Finale doch auch auswirkt – vorausgesetzt, man kennt die Spiele nicht.

Die Geschichte um Ellie und Joel wurde für ein interaktives Medium entwickelt – und funktionierte exzellent. Deshalb muss man die zwei Versionen sicherlich auch differenziert betrachten. Meine Meinung: das Spiel bleibt ein Meisterwerk und sollte tatsächlich vor dem Schauen der Serie gespielt werden. Gleichzeitig möchte ich Momente der Serie, allen voran die dritte Episode, nicht missen. Beide Formate funktionieren auf ihre Weise sehr gut. Das Spiel saß insgesamt jedoch eine ganze Spur tiefer, als The Last of Us – Staffel 1.

Fazit

8.5/10
Sehr gut
Community-Rating: (3 Votes)
Handlung 9/10
Schauspiel 8.5/10
Visuelle Umsetzung 9/10
Spannung 8.5/10
Horror 7.5/10

The Last of Us ist eine Gaming-Adaption, wie es sie bisher noch kaum gab. Mit extremem Feingefühl für die emotionale Geschichte werden die Zuschauenden auf eine packende, erschreckende und vielseitige Reise mitgenommen. Fast jedes Gewerk, ob Schauspiel, Ausstattung oder Score, überzeugt. Die Abzüge in der B-Note sind verschmerzbar, lediglich ein paar mehr Zombies hätten auftauchen dürfen. Abgesehen davon ist The Last of Us – Staffel 1 eine starke Serie und definitiv neue Benchmark in Sachen Gaming-Adaption.

Artikel vom 15. März 2023

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