Noch asozialer, noch brutaler
Happy! – Staffel 1 ist derart dystopisch und misanthropisch, dass man es als Zuschauer kaum aushält. Die Showrunner wollen einmal mehr alles bisher Dagewesene überbieten und schrecken dabei thematisch vor nichts zurück. Unverblümter Menschenhass, Pädophilie, Kindsmord, seelischer und sexueller Missbrauch, abartigste Folter und Menschenhandel fließen in die Geschichte mit ein und zwar in einer solchen Frequenz, dass es sich dem Entertainment entzieht. “Kann man doch machen”, mag man nun einwenden, “solange es witzig genug kommentiert wird”. Das klappt zwar manchmal, doch die Serie versucht sich an einem derart brutalen Spagat, dass spätestens in der zweiten Staffelhälfte die Hose reißt.
Doch warum? Nun, die ganze Angelegenheit ist trotz Psycho-Santas und sprechenden Einhörnern zu realistisch, um lupenreiner Trash zu sein. Die lässigen Kommentare sind zu triefend schwarz, um immer ein Lachen zu provozieren. Die Thematiken sind so realitätsnah, dass es nicht immer gelingt, eine richtige Distanz zum Geschehenen aufzubauen. Eigentlich ist Happy! – Staffel 1 ein pessimistischer Abgesang auf die Menschlichkeit mit sehr, sehr wenigen Lichtblicken. Manche können darüber sicherlich schallend lachen, doch vielen wird das Lachen im Halse stecken bleiben. Und wenn das zur Manier wird, bleibt die Unterhaltung eben deutlich auf der Strecke. Zumal das sicher nicht der Plan der Showrunner war.
Ein blutrünstige Wundertüte
In den Momenten, in denen sich Happy! – Staffel 1 mit seinem Grenzengepushe nicht im Weg steht, gibt es allerdings ordentlich was zu staunen. Da wäre zum Beispiel die inszenatorisch einwandfrei umgesetzte Action, die handwerklich nichts zu wünschen übrig lässt (auch wenn die Gewaltelemente gelegentlich Selbstzweck-Charakter aufweisen und nur für die Abwechslung eingestreut scheinen). Außerdem ziehen die Autoren die Weihnachts-Metapher konsequent durch: der Bösewicht ist ein psychisch angeknackster Weihnachtsmann, der Protagonist heißt Nick(olaus), selbst der Soundtrack besteht größtenteils aus kitschigen Weihnachtsliedern. Und zugegeben, wenn es die Hauptfigur in Zeitlupe zu “It came upon the midnight clear” durch die Frontscheibe ihres Wagens schleudert und die Spucke nur so aus dem Mund trieft, dann wird die romantisierte Weihnachtszeit schon schnippisch demontiert.
Doch Happy! – Staffel 1 ist mit Sicherheit kein Fest der Liebe. Wenn es zur Sache geht, dann werden schon auch mal Kettensägen, Sportpokale, Bohrer und Äxte ausgepackt. Für Zuschauer mit schwachen Nerven sicherlich nicht die erste Wahl, zumal die Gewalt hier wie bereits erwähnt nicht immer dienlich ist. Des Weiteren werden storytechnisch munter MacGuffins und “Deus ex machina”-Momente aufgefahren, also sollte man die Logiklupe besser stecken lassen – auch, wenn die Parallelhandlungen geschickt und chronologisch sinnvoll miteinander verwoben werden.
Wo wir schon beim Thema wären: die Idee, imaginäre Kinderfreunde aktiv in die Handlung eingreifen zu lassen, ist höchst kreativ und funktioniert erstaunlich gut (so verrät Happy dem Protagonisten bei einem Pokerturnier etwa die Hände der Gegenspieler). Doch spätestens wenn durch Menstruationsblut (!) beschworene Untote auf der Spielfläche erscheinen, überspannt die Serie den Bogen deutlich. Gerade in den letzten Folgen prallen so viele heftige, absurde, schockierende, trashige und schlicht gestörte Elemente aufeinander, dass man als Zuschauer einfach kapituliert und das bunte Treiben auf dem Homescreen einfach über sich ergehen lässt. Mehr ist nicht immer gleich mehr.