7.4/10

Kritik: Der phönizische Meisterstreich

WES ANDERSON’S MEISTERSTREICH?

Genres: Drama, Komödie, Thriller, Startdatum: 29.06.2025

Interessante Fakten für…

  • Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine Vater-Tochter-Beziehung, zu der Anderson nach der Geburt seiner Tochter inspiriert wurde.
  • Historisch gesehen bezeichnet Phönizien eine Region, die heute den Libanon und Syrien umfasst. Das fiktive Phönizien, wie es im Film dargestellt wird, entspricht in etwa einem Teil der levantinischen Region, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts definiert wurde.

Wes Anderson ist erneut am Start und hat uns mit „Der phönizische Meisterstreich“ ein kleines Geschenk in seiner unverkennbaren Handschrift geliefert. Ein weiterer Erfolg für das Wes-Anderson-Genre oder ist es mittlerweile nur noch Selbstparodie?

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#FantasyFanatic #Comicserien #AfterCredit

Darum geht’s

Im Jahr 1950 kennt jeder Zsa-zsa Korda (Benicio Del Toro) – und das nicht aus guten Gründen. Der dreiste und skrupellose Unternehmer, der nahezu überall seine Finger im Spiel hat, hat sich wirklich jeden zum Feind gemacht, von zahlreichen Unternehmern und Politikern, bis hin zu seinen Söhnen, die er vernachlässigt. Kein Wunder also, dass Mordanschläge für ihn zum Alltag geworden sind.

Als er nach einem erneuten Anschlag auf sein Leben einen weiteren Flugzeugabsturz überlebt, hat er jedoch eine Nahtoderfahrung und entschließt sich zu einer Änderung in seinem Leben. Er macht seine Erstgeborene Tochter Liesl (Mia Threapleton), die sich zu einer Nonne ausbildet, zu seiner alleinigen Erbin. Doch davor soll sie ihm bei seinem größten Projekt helfen: dem“phönizischen Meisterstreich“. Ein Bauprojekt im fiktiven Land Phönizien, der ihm und seinem Partner zu größeren Wohlstand und Einfluss verhilft.

Doch es gibt ein Problem. Ein Zusammenschluss einflussreicher Personen hat den Markt manipuliert, weshalb das Projekt nun deutlich teurer wird. Um diese „Lücke“ zu füllen, muss Korda mit Liesl und Bjorn (Michael Cera), dem Hauslehrer und Kordas neuem Verwaltungs-Assistent, seine Geschäftspartner aufsuchen und um weitere Spenden erbitten. Dazu gehören auch Familienmitglieder, die das Unterfangen erschweren könnten…

Wer Anderson?

Konstante Symmetrie? Zentrierte Kamera? Das Set wie eine Bühne? Ganz klar: Sie sehen einen Wes Anderson! Kein anderer Regisseur hat so einen klaren Wiedererkennungswert. Einmal hinschauen und schon weiß man Bescheid. Wes Anderson hat einen unverkennbaren Stil, der sich durch seine Filmographie zieht. Die Kamera befindet sich stehts in der Normalperspektive und gibt ein möglichst umfassendes Bild sowohl der Anwesenden als auch des Sets wieder. Dieser ist meist bunt und beabsichtigt künstlich, so als würde man ein Theaterstück betrachten oder durch ein Bilderbuch blättern. Das gilt sowohl für seine Realverfilmungen als auch für seine Animationen, wie Isle of Dogs – Ataris Reise.

Doch Wes Anderson zeichnet sich nicht nur durch seinen visuell Stil aus. Auch seine Charaktere haben markante Eigenschaften. Meist sind es Persönlichkeiten, die sich durch ihre Seriösität und ihren trockenen Humor auszeichnen, selbst in den absurdesten Momenten und Situationen. Es sind konfliktreiche Figuren, die mit zunehmender Handlung versuchen, aus der ordentlichen und symmetrischen Welt auszubrechen. Ein bemerkenswerter, wenn auch etwas vorhersehbarer Ablauf.

Die Frage ist nun, wie gut Der phönizische Meisterstreich da hineinpasst.

Mister 5%

Und wer ist der markante Exzentriker diesmal? Zsa-Zsa Korda (Benicio Del Toro) fühlt die Rolle sehr gerne aus. Der berüchtigte Mister 5%, benannt nach seiner Fähigkeit, in nahezu jedem Geschäft seine Finger im Spiel zu haben, ist so korrupt, dass er gar nicht erst versucht, es zu verheimlichen. Seine zwiellichtigen Geschäfte, ebenso wie die zahlreichen Anschläge auf sein Leben, sind für ein schon lange akzeptierter Alltag. Und so tritt er auch auf. Sein Gesichtsausdruck und sein Tonfall wirken emotionslos und phlegmatisch, dennoch lassen sie eine eindeutige  Zielstrebigkeit erkennen. Allgemein strahlt er eine gewisse „hypnotische Ruhe“ aus. Als würde diese sagen: Er wird schon wissen, was er tut.

Noch interessanter wird dann seine Beziehung zu seiner Tochter Liesl. Anfangs noch recht formell, wird es schnell ersichtlich, dass ihm sehr viel daran liegt, was sie von ihm hält. Seine Nahtoderfahrungen, die alle in schwarz-weiß und mit christlicher Symbolik versehen sind, tragen dazu bei, dass Korda ein langsam ein Gewissen entwickelt und gleichzeitig seine Familiengeschichte aufarbeitet. Liesl selbst macht als striktes und stoisches moralisches Gegenstück zu Korda einen hervorragenden Eindruck, wobei schnell klar wird, dass auch sie nicht ganz frei von Sünde ist.

Etwas fehl am Platz wirkt hier nur Bjorn. Dabei ist er als skuriller Hauslehrer mit einer Expertise in Insektenkunde und einer mysteriösen Vergangenheit höchst einprägsam, doch in die Dynamik zwische Korda und Liesl passt er nicht ganz so nahtlos rein.

Mörderischer Humor

Man könnte meinen, der Film würde mit einem einfachen Flugzeugabsturz anfangen. Stattdessen können wir miterleben, wie Kordas Verwalter im Hintergrund durch eine Explosion buchstäblich der Oberkörper weggesprengt wird, kurz bevor das Flugzeug gänzlich zu Boden kracht. Es kam so plötzlich, dass es ein schockiertes Lachen mit sich zieht. Und schon hat man sich auf den Humor des Filmes eingestellt, denn dieser ist herrlich mörderisch.

Das liegt vor allem daran, dass ein Großteil darauf abzielt, wie viele Mordversuche auf Korda durchgeführt werden und wie absolut unbeeindruckt er darauf reagiert. Dann sprengt man eben regelmäßig seine Flugzeuge, dann wird nun mal ständig sein Essen vergiftet, dann schleppt er sich eben mit offenen Wunden und aphathischem Gesichtsausdruck zum Ziel – alles Teil des Jobs. Selbst die Tatsache, dass seine Söhne so wenig von ihm halten, dass sie ihn regelmäßig mit Pfeilen beschießen, trägt zu diesem böswilligen Humor bei.

Ein weitere Teil des Humors zielt auf seine amoralischen Geschäfte ab und wie wenig er tut, um diese in ein wohlwollendes Licht zu bringen. So überrascht es auch nicht, dass er seinen Geschäftspartnern zur Begrüßung eine Handgranate anbietet als wären das Pralinen. Und es überrascht auch nicht, dass Erpressung und Mordandrohung genauso zu Kordas Repertoire gehören wie spontante Basketball-Matches mit hohen Einsätzen. Liesls missbilligende Präsenz macht es nur umso besser.

Das alles ist zwar kein Laugh-Out-Loud-Humor aber lustig ist es allemal.

Eine kleine Geschäftsreise

Auch wenn man es aus dem Geschäfts-Blabla, mit dem Korda seine komplizierten Pläne erklärt, nicht sofort erkennt: Es geht auf eine Geschäftsreise. Da sein Riesenprojekt zu scheitern droht, muss er an verschiedenen Orten der Welt seine Geschäftspartner um mehr Geld bitten. Das alleine bietet schon eine hervorragende Vorgabe für zahlreiche interessante Szenarien und sehr ungewöhnliche Geschäftstaktiken. Hinzu kommt noch ein absoluter Überschuss an A-Promi Schauspielern für ein paar der einprägsamsten Momente im Film. Seien es nun Tom Hanks und Bryan Cranston als zwei Eisenbahn-Unternehmer mit einer Vorliebe für Basketball oder der bärtigste Benedict Cumberbatch aller Zeiten – die Promis machen den Film lebendiger, auch wenn nicht alle die gleiche Aufmerksamkeit bekommen.

Dennoch muss man sagen, dass der Film gerade in der zweiten Hälfte an Schwung verliert. Die Weltreise wirkt mit der Zeit etwas in die Länge gezogen und erscheint sogar repetitiv. Zwar werden währenddessen die Dynamiken zwischen den Charakteren ausgebaut, doch man driftet immer wieder in Erzählungen über die Familienbeziehungen, die an das ewige Geschäfts-Blabla am Anfangs des Filmes erinnern. Es bleibt nicht wirklich greifbar. Es dauert etwas, bis der Film gegen Ende wieder den Ton angibt.

Wes Andersons (un)nachahmlicher Stil

Wes Andersons unverkennbarer Filmstil hat leider auch seine Schattenseiten. Ein so unverkennbarer Stil bedeutet, dass es einerseits kinderleicht ist, Parodien daraus zu machen. Schlimmer ist jedoch, dass es nach zig Wiederholungen langsam an Variation mangelt. Spätestens jetzt fallen immer wieder Parallelen in den Filmen auf und das nicht nur am visuellen Stil. Die Charaktere, der Storyablauf, der Humor – man beginnt ein unverkennbares Muster zu erkennen. Und wenn es kein aufwendiges Werk wie The Grand Budapest Hotel mit fantastischen Kulissen und lebendigen Figuren ist, fühlt es sich schonmal abgenutzt an. Fast so als würde man zwanghaft an einer etablierten Stilrichtung festhalten, allein des Markenzeichens wegen. Spätestens Asteroid City hat uns hierbei schon die Limits gezeigt.

Doch wie sieht das mit Der phönizische Meisterstreich aus? Die Antwort ist ein klares: …naja. Einerseits versucht man auch hier alles rauszuholen, was am symmetrischen Setting und an markanten Persönlichkeiten herauszuholen ist. Gerade die verschiedenen Kulissen während der Weltreise sind nach wie vor bemerkenswert. Und vor allem am Ende wird alles rausgeholt, was man mit dem Bühnenbild-Setting machen kann und ad Absurdum geführt. Doch andererseits ändert es auch nichts daran, dass Wes hier keine neuen Ufer erreicht. Der phönizische Meisterstreich fühlt sich nicht neu an und greift Themen auf, die bereits in den Früheren seiner Filme vorkamen, sei es die familiäre Entfremdung des Vaters oder die Bewahrung der Vergangenheit. Es ist das, was man von einem Wes Anderson erwartet und für was es ist, ist es ziemlich gut. Doch für mehr, hat es diesmal nicht gereicht.

Fazit

7.4/10
Community-Rating:
Handlung 6.5/10
Schauspiel 8/10
Humor 8/10
Emotionen 7/10
Visuelle Umsetzung 7.5/10

Der phönizische Meisterstreich macht vieles richtig: variationsreiches Setting, schwarzer Humor und exzentrische, unbeirrbare Charakter. Es ist schlussendlich das, was man von einem Wes Anderson erwartet. Nur leider hat es nicht allzu viele Elemente, durch die der Film hervorsticht. Es gibt schließlich nur so viel, was man mit dem symmetrische Kamerastil machen kann, bevor es zu einer sich selbstreferenzierenden Parodie verkommt. Und so gelungen die Idee hinter Der phönizische Meisterstreich auch sein mag, das Potenzial wird einfach nicht ausgeschöpft. Es ist kein „Runter-von-der-Bühne“, doch für eine Standing Ovation reicht es auch nicht.

Und wenn Wes Anderson nicht aufpasst, wird es schon bald ein „War Anderson“.

Artikel vom 5. August 2025

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