Kritik: Cash Truck
BLUT, RACHE UND LAUTE SCHÜSSE
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Die Geldtransporterfirma Fortico wird von einer Bande schwerbewaffneter Ganoven beraubt. Es sterben zwei Sicherheitsleute und ein Zivilist. Das Verbrechen hallt als Schock nach. Fünf Monate später bewirbt sich Patrick “H” Hill (Jason Statham) um einen Job als Fahrer und Sicherheitsmann bei Fortico. Haiden “Bullet” Blaire (Holt McCallany), erfahrener Wachmann bei Fortico lernt den Neuen an und führt ihn ins Team ein. Die Belegschaft erzählt sich und “H” noch immer raunend vom Transporterraub. Ein paar sind ihm wohlgesinnt, doch andere bleiben skeptisch. Und tatsächlich hat “H” etwas zu verbergen…
Diese Inhaltsangabe ist sehr kurz und beschreibt auch nur etwa die ersten zehn Minuten des Films. Aber ich möchte nicht mehr verraten. Es ist am besten, sich Cash Truck ohne viel Vorwissen anzuschauen. Gar nicht, weil es große, spektakuläre Plottwists oder Enthüllungen gäbe. Ganz im Gegenteil.
Cash Truck ist hier kein guter Titel: Das englischsprachige Original Wrath of Man, bedeutet soviel wie “Raserei des Menschen” und passt deutlich besser zur Handlung. Gar in unsere Liste schlecht übersetzter Filmtitel muss es jetzt nicht aufgenommen werden, aber dennoch ist die deutsche Übersetzung etwas blöde. Die Handlung, die Cash Truck erzählt, ist denkbar simpel: irgendwas mit Rache und Gewalt. Etwas, das wir alle so oder so ähnlich bereits in mehrfacher Ausführung gesehen haben. Nein, es sind weniger große Enthüllungen, die einen ausrufen ließen “Das hätte ich ja nie kommen sehen!”. Vielmehr schafft der Film es, durch seine nicht chronologische Erzählweise, Gesehenes aus neuer Perspektive darzustellen und mit weiterer Bedeutung aufzuladen.
Der Plot ist dabei nebensächlich. Es geht vielmehr um die affektive Geschichte, die der Film erzählt, als um die genauen Zusammenhänge und Verstrickungen altbekannter Thriller-Motive. Das Remake eines französischen Thrillers, betitelt Le Convoyeur (2004), ist modernes Genre-Kino, wie es sich gehört.
Es fällt mir dennoch schwer, Cash Truck zu bewerten. Sowohl eine sehr mittelmäßige als auch eine sehr positive Kritik wären gerechtfertigt. Ich habe mich nach anfänglichem Zögern für die positive Bewertung entschieden. Denn das, was der Film machen möchte, tut er sehr gut. Unironische, teilweise trockene, immer harte Action, eine simple und fokussierte Handlung in einer dunkel, tristen, aggressiven und unfreundlichen Männerwelt. Das gelingt sehr gut. Es bleibt nur die Frage, ob das noch zeitgemäß ist.
“Langeweile ist gefährlicher als Kugeln. Gib mir einen Feind, den ich sehen kann.”
Brad in Cash Truck.
Unzeitgemäß ist dabei die Darstellung der Frau. Frauen spielen quasi überhaupt keine Rolle. Eigentlich sind sie reine Ausstattung, die ähnlich teuren Anzügen oder klimpernden Bierflaschen vor allem dazu dient, die männlichen Hauptfiguren als Gegenstände näher zu charakterisieren. Sie weinen, wenn die Männer hart bleiben, um deren emotionale Reaktion zu spiegeln und zu unterstreichen. Sie gucken vorwurfsvoll, wenn die Männer sich in die Küche verziehen, um unter Männern reden zu können. Sie werden aus der Ferne geliebt, sie sind Motivation für männliches Handeln.
Das klingt erstmal abgedroschen und unzeitgemäß. Denn genau das ist es. Sein Geschlechterbild ist Cash Truck in jedem Fall vorzuhalten! Dass der Film dennoch funktioniert, muss dann aber als Leistung hervorgehoben werden und liegt vermutlich an der fehlenden Wertung, die der Film gerade nicht vornimmt. Cash Truck stellt nämlich die Welt als grundsätzlich moralisch ambivalent dar, in der weder alles geplant ist, noch irgendwer absolut gut noch absolut böse ist.
Zwei weitere ganz entscheidende Faktoren für das Gelingen von Cash Truck sind sicher die visuelle Umsetzung und die Klangkulisse, die beide eine dichte und drückende Atmosphäre schaffen. Regisseur Guy Ritchie verliert sich ja gerne im Spiel mit filmischen Stilmitteln, was in den letzten zehn Jahren zu hauptsächlich schwachen bis nervigen Ergebnissen geführt hat.
Cash Truck zeugt durchaus auch von viel visuellem Detailsinn. Schnitte und Kamerabewegungen sind genau überlegt und ebenso gearbeitet. Der wichtige Unterschied: sie sind nie selbstzweck. Nichts ist gefilmt, weil es einfach cool aussieht, sondern aus genauer Überlegung, wie Form und Inhalt zu korrespondieren haben.
Die sehr beschränkte Farbpalette des Films – alles ist grau bis schwarz, sehr dunkel, wenige Farben – harmoniert ebenfalls mit der bedrückenden und düsteren Welt, die dargestellt wird. Das ganze erinnert an vielen Stellen an die hardboiled Crime-Welten eines Michael Mann. Auch, weil alles ähnlich zurückhaltend ist wie in Manns Filmen. Selbst der Auftritt von Post Malone, der sich wacker als Schauspieler schlägt, fügt sich ein (ganz anders als Cardi B in Fast & Furious 9 …)
Obendrauf kommt die Musik. Fast die ganze Zeit sind tiefe und zerrüttet wirkende Orchesterklänge zu hören, in die sich hier und da Klänge wie das Fauchen einer Großkatze oder Ähnliches zu mischen scheinen. Diese sind meist auch sehr laut. Zum einen, um mit den ebenfalls lauten Schüssen, die sich durch den Film ziehen, überhaupt mithalten zu können, zum anderen um das Publikum unter Druck zu setzen.
Obwohl Cash Truck überhaupt nicht schnell erzählt ist, kommt man nicht zur Ruhe. Die Handlung mit ihren immer wieder aufplatzenden Gewaltblasen wirkt unausweichlich. Die Musik treibt dabei voran und lässt einen nicht zu Atem kommen und sorgt für Unruhe und Nervosität.
Eine düstere, brodelnde Handlung in einer knöchelharten und groben Machismo-Welt. Cash Truck schafft genau das, was er sich vornimmt. Eine reduzierte Thriller-Handlung um Rache und Gewalt mitreißend zu erzählen, dass einem der Atem stockt. Und weil wir schon bei solchen Floskeln sind, auch gleich so, wie es früher in der TV-Movie geheißen hätte: “ein packender Gangster-Thriller mit Transporter-Star Jason Statham. Knallharte Action, bei der man fast Gut und Böse aus dem Blick verliert.” Na dann! Klare Empfehlung.
Artikel vom 5. August 2021
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