Verwirrendes Katz- und Mausspiel
In Red Sparrow wird ungeheuer viel erzählt. Leider auch viel unnützes. Man merkt dem Film zu jeder Zeit an, dass er die schnelle Wandlung der Hauptperson immer stimmig erklären möchte. Dabei krankt es aber vor allem am emotionalen Unterbau der Protagonistin. Der einzige Grund, warum sie sich auf die unmenschliche Ausbildung und das herablassende Spiel der russischen Regierung einlässt, ist die Verantwortung für ihre kranke Mutter. Diese wird von Francis Lawrence immer mal wieder im Film platziert, falls der Zuschauer vergessen haben sollte, warum Dominika nicht schon längst das Handtuch geworfen hat. Leider sind diese Momente so emotionslos gespielt und zudem so schäbig geschrieben, dass die Dialoge darin beinahe Nonsense-Niveau erreichen. Die Intention ist klar, die Umsetzung leider missglückt.
Auch so gibt es in Red Sparrow etliche Leerlauf-Momente. Und das ist höchst fragwürdig. Immerhin keimen genügend Konflikte in der Geschichte auf, die sich theoretisch im Minutentakt entladen könnten. Tatsächlich aber gestaltet Francis Lawrence seinen Film recht höhepunktsarm. Die Inszenierung ist oft sehr gemächlich geraten oder brisante Elemente zu beiläufig erzählt. Schade drum: in der Exposition zeigt er nämlich, dass er schweißtreibende Inszenierungen eigentlich beherrscht. So verpasst der Zuschauer in spannungslosen Momenten gelegentlich wichtige Details, die aber maßgeblich für die Storyentwicklung sind. Dadurch fällt auch der eigentlich gewollt verblüffende Twist erschreckend gleichgültig aus.
Russland made in Hollywood
Wenn es inmitten der auf Sparflamme köchelnden Inszenierung aber dann mal kracht, dann ist es schlichtweg brachial. Francis Lawrence scheut nicht davor zurück, dem Zuschauer die volle Palette blutiger Gewalt zu präsentieren. Schon die detaillierte Ansicht der Knochenoperation zu Beginn des Films deutet darauf hin, was im Folgenden noch geschehen wird: blutspritzende Einschusswunden, krasse Folterszenen und der Einsatz eines Hautschälers muten dem Zuschauer ausgesprochen viel zu. Die Gewaltszenen machen das ohnehin starke Setting äußerst nahbar und würzen die Geschichte mit Adrenalinstößen.
Ein fader Beigeschmack hat die Sache allerdings: zuweilen fühlt sich die Darstellung der Oppositionen (russischer vs. amerikanischer Geheimdienst) sehr unausgeglichen an. Während die Amis als wohlwollende Gutmenschen auftreten, ist die andere Seite schlicht barbarisch unterwegs. Nicht nur das herabwertende Ausbildungszentrum, in dem die Rekruten in ihrem Willen und ihrer Menschlichkeit gebrochen werden – es wird auch gerade gegen Ende des Films sehr deutlich gemacht, was geschieht, wenn man in die Mühlsteine von Mütterchen Russland gerät. Das mag zwar laut gut recherchierter Buchvorlage von Jason Matthews auch wirklich stimmen, doch die undifferenzierte Darstellung darf schon mal stutzig machen. Dazu kommt, dass kaum russische Schauspieler gecastet wurden und Matthias Schoenaerts als Antagonist dem Kremlchef Wladimir Putin zum Verwechseln ähnlich sieht. Zumindest ein kleiner, ambivalenter Gegenentwurf hätte der überkritischen “Feinddarstellung” gut getan.
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