6.7/10

Kritik: Red Sparrow

SKRUPELLOS. MANIPULATIV. UNAUSGEGOREN.

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Genres: Action, Krimi, Thriller, Startdatum: 01.03.2018

Interessante Fakten für…

  • Regisseur Francis Lawrence und Jennifer Lawrence arbeiteten zuvor bei drei der Tribute von Panem-Filmen zusammen.

Nach dem erfolgreichen Franchise ‘Die Tribute von Panem’ kämpfte Jennifer Lawrence sehr darum, ihr schauspielerisches Talent in erwachsene Gefilde zu hieven. Zunächst folgten ausgefallen-großartige Rollen wie in ‘American Hustle’ und zuletzt im ultraverstörende Film ‘mother’. In ‘Red Sparrow’ wagt sich Lawrence einmal mehr an eine ungeheuer mutige Rolle. Ob ihr neues Werk geglückt ist, erfahrt ihr in unserer Bewertung und Kritik.

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Darum geht’s

Die hübsche Russin Dominika Egorova (Jennifer Lawrence, Tribute von Panem) ist schon jung am Höhepunkt ihrer Karriere angekommen. Als Hauptrolle in einem renommierten Ballett in Moskau wird sie gleichermaßen gefeiert wie auch beneidet. Doch während einer Aufführung geschieht das große Unglück und sie bricht sich ein Bein – das frühe Aus ihrer vielversprechenden Tanzkarriere.

Da sie die Miete für die von der Company bereitgestellte Wohnung für sich und ihre kranke Mutter nicht mehr stemmen kann, lässt sie sich auf einen Deal mit ihrem dubiosen Onkel Vanya Egorov (Matthias Schoenaerts) ein. In einer vom Staat kontrollierten Akademie soll Dominika als “Red Sparrow” ausgebildet werden. Eine Spezialeinheit, die durch die Kunst der Verführung an brisante Informationen der Feinde gelangt. Obwohl sich Dominika gegen die unmenschliche Ausbildung wehrt, wird sie von der russischen Regierung als “high potential” eingestuft – und fällt daher auch schnell unter die Beobachtung des amerikanischen Geheimagenten Nathaniel Nash (Joel Edgerton, Bright)…

Wenig Charakterentwicklung in Überlänge

Regisseur Francis Lawrence (drehte bereits zuvor mit Jennifer Lawrence drei der “Panem“-Filme) lässt sich für seinen brutalen Spionage-Thriller reichlich Zeit: über satte 140 Minuten erstreckt sich das Werk des Routiniers. Also genug Zeit, um sich ausgiebig auf seine Charaktere zu konzentrieren. Doch Pustekuchen: in Red Sparrow passiert zwar wahnsinnig viel, doch eine stimmige Charakterentwicklung gehört nicht dazu. Vor allem die Hauptfigur ist so sprunghaft gezeichnet, dass man mehrmals über ihre Unstimmigkeiten und nicht nachvollziehbaren Handlungen stolpert.

Im ersten Moment ist Dominika noch eine schüchtern-zurückhaltende Ballerina, kurz darauf wird sie zur gewalttätigen Furie; während ihrer Ausbildung werden grob ihre menschendurchdringenden Fähigkeiten und ihre rebellische Ader etabliert und schon wenige Momente später spielt sie ganze Regierungsapparate gegeneinander aus, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Obwohl das üppige Drehbuch von Eric Singer (American Hustle) und Justin Haythe (A Cure for Wellness) seine Protagonistin mehrfach überfordert und verzweifelt darstellt, ist ihre extrem steile Entwicklung trotz nachvollziehbarer Motivation selten glaubhaft. Eben weil die Schlüsselmomente der Figurenzeichnung nur skizzenhaft auf die Leinwand gepinselt werden.

Wo wir schon beim Thema wären: die Figur von Jennifer Lawrence bleibt die einzige, die sich überhaupt entwickelt. Alle anderen Charaktere bleiben exakt so, wie sie zu Beginn schemenhaft eingeführt wurden – und das ist gerade für einen gewollt zwielichtigen Agenten-Thriller einfach nur ermüdend. Vielleicht kann ja die ausgeklügelte Handlung mehr überzeugen?

Kein Entkommen: Dominika Egovora (Jennifer Lawrence) muss ihren Körper als Waffe benutzen.

Jennifer Lawrance als Dominika Egorova vor einem Spiegel in einem Szenenbild für Kritik Red Sparrow

Verwirrendes Katz- und Mausspiel

In Red Sparrow wird ungeheuer viel erzählt. Leider auch viel unnützes. Man merkt dem Film zu jeder Zeit an, dass er die schnelle Wandlung der Hauptperson immer stimmig erklären möchte. Dabei krankt es aber vor allem am emotionalen Unterbau der Protagonistin. Der einzige Grund, warum sie sich auf die unmenschliche Ausbildung und das herablassende Spiel der russischen Regierung einlässt, ist die Verantwortung für ihre kranke Mutter. Diese wird von Francis Lawrence immer mal wieder im Film platziert, falls der Zuschauer vergessen haben sollte, warum Dominika nicht schon längst das Handtuch geworfen hat. Leider sind diese Momente so emotionslos gespielt und zudem so schäbig geschrieben, dass die Dialoge darin beinahe Nonsense-Niveau erreichen. Die Intention ist klar, die Umsetzung leider missglückt.

Auch so gibt es in Red Sparrow etliche Leerlauf-Momente. Und das ist höchst fragwürdig. Immerhin keimen genügend Konflikte in der Geschichte auf, die sich theoretisch im Minutentakt entladen könnten. Tatsächlich aber gestaltet Francis Lawrence seinen Film recht höhepunktsarm. Die Inszenierung ist oft sehr gemächlich geraten oder brisante Elemente zu beiläufig erzählt. Schade drum: in der Exposition zeigt er nämlich, dass er schweißtreibende Inszenierungen eigentlich beherrscht. So verpasst der Zuschauer in spannungslosen Momenten gelegentlich wichtige Details, die aber maßgeblich für die Storyentwicklung sind. Dadurch fällt auch der eigentlich gewollt verblüffende Twist erschreckend gleichgültig aus.

Russland made in Hollywood

Wenn es inmitten der auf Sparflamme köchelnden Inszenierung aber dann mal kracht, dann ist es schlichtweg brachial. Francis Lawrence scheut nicht davor zurück, dem Zuschauer die volle Palette blutiger Gewalt zu präsentieren. Schon die detaillierte Ansicht der Knochenoperation zu Beginn des Films deutet darauf hin, was im Folgenden noch geschehen wird: blutspritzende Einschusswunden, krasse Folterszenen und der Einsatz eines Hautschälers muten dem Zuschauer ausgesprochen viel zu. Die Gewaltszenen machen das ohnehin starke Setting äußerst nahbar und würzen die Geschichte mit Adrenalinstößen.

Ein fader Beigeschmack hat die Sache allerdings: zuweilen fühlt sich die Darstellung der Oppositionen (russischer vs. amerikanischer Geheimdienst) sehr unausgeglichen an. Während die Amis als wohlwollende Gutmenschen auftreten, ist die andere Seite schlicht barbarisch unterwegs. Nicht nur das herabwertende Ausbildungszentrum, in dem die Rekruten in ihrem Willen und ihrer Menschlichkeit gebrochen werden – es wird auch gerade gegen Ende des Films sehr deutlich gemacht, was geschieht, wenn man in die Mühlsteine von Mütterchen Russland gerät. Das mag zwar laut gut recherchierter Buchvorlage von Jason Matthews auch wirklich stimmen, doch die undifferenzierte Darstellung darf schon mal stutzig machen. Dazu kommt, dass kaum russische Schauspieler gecastet wurden und Matthias Schoenaerts als Antagonist dem Kremlchef Wladimir Putin zum Verwechseln ähnlich sieht. Zumindest ein kleiner, ambivalenter Gegenentwurf hätte der überkritischen “Feinddarstellung” gut getan.

„Your body belongs to the state!“

Ausbilderin Matron in Red Sparrow

Handwerklich top, schauspielerisch okay

Wenn es um Setdesign, Soundtrack und Kameraführung geht, so kann man dem Team um Francis Lawrence wirklich nicht viel vorwerfen. Der osteuropäische Flair in authentischen Sets wird in kalten Bildern eingefangen und trägt maßgeblich zur oft bedrückenden Stimmung bei. Hier gibt es nichts zu wollen!

Je weiter im Osten, desto grauer das Setting.

Jennifer Lawrence auf einer Straße in einem Szenenbild für Kritik Red Sparrow

Schauspielerisch fällt die Sache wiederum etwas zwiespältiger aus. Jennifer Lawrence ist freilich eine der talentiertesten Jungdarstellerinnen unserer Zeit. Jedoch wirkt sich die unschlüssige Figurenzeichnung stark auf das Gesamtbild ihrer Darstellung aus: mit oftmals neutralem Gesichtsausdruck und sichtlich bemüht, einen glaubhaften russischen Akzent an den Tag zu legen, schleppt sich Lawrence durch den Film. Dabei ist ihre Performance dennoch sehr aufopfernd. Vor allem in einigen Action- und Folterszenen scheint sie wahrhaftig an ihre Grenzen gegangen zu sein. Diese Momente sind wahnsinnig echt und glaubhaft, auch wenn sie im Kontrast zum sonst so ungelenken Geschehen stehen.

Der restliche Cast agiert insgesamt solide. Während der erwähnte Schoenaerts und Charlotte Ramping wunderbar böse Darstellungen abliefern, darf Joel Edgerton (Bright) nichts weiter als der Good-Guy des Katz- und Mausspiels sein. Auch Hochkaräter wie Jeremy Irons (Batman v Superman) und Ciarán Hinds (Justice League) sind lediglich hübsches Beiwerk. Warum so oft waschechte Charakterdarsteller in unwürdige Nebenrollen gezwängt werden, ist ein Rätsel. Immerhin bekommen die deutschen Dark-Exporte Louis Hofmann und Sebastian Hülk einen kleinen Auftritt spendiert.

Fazit

6.7/10
Ganz okay
Community-Rating:
Handlung 6.5/10
Schauspiel 7.5/10
Spannung 6/10
Charaktere 5.5/10
Atmosphäre 8/10
Details:
Regisseur: Francis Lawrence,
FSK: 16 Filmlänge: 139 Min.
Besetzung: Ciarán Hinds, Jennifer Lawrence, Jeremy Irons, Joel Edgerton,

Mit seiner heftigen Buchadaption will Regisseur Francis Lawrence schlichtweg zu viel. Obwohl sich der Film fast zweieinhalb Stunden hinzieht, gelingt es ihm nicht, seine Charaktere glaubhaft zu entwickeln – genau genommen entwickelt sich nur die Protagonistin, dafür aber viel zu hastig. Anstatt die eigentlich wendungsreiche Story packend und mit Höhepunkten versehen zu inszenieren, verliert sich Lawrence zu oft in vor sich hin plätschernden Dialogen oder spannungsarmen Begegnungen. Gleichzeitig ist die überfrachtete Geschichte oft nur schwer durchschaubar und so ist auch der arg konstruierte Twist am Ende eher enttäuschend als überraschend. Handwerklich ist der Spionage-Thriller aus einem Guss und nett anzusehen – man sollte sich jedoch auf eine schwer auszuhaltende Gewaltdarstellung einstellen. Schauspielerisch ist vor allem Jennifer Lawrence die Leidtragende. Zwar ist sie in den meisten Szenen glaubhaft, jedoch wird ihre sehr mutige Leistung schwer durch die unschlüssige Charakterzeichnung ihrer Figur untergraben. Was bleibt ist ein solider Thriller mit Überlänge und jeder Menge vergeudetem Potenzial.

Artikel vom 23. Februar 2018

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