Ein neues Gefühl von Nostalgie
Allein schon die Kostüme der Serie sind ein Brüller – und lassen nur schwer glauben, dass die 90er mode- und frisurentechnisch ein derartiger Ausfall waren. Wenn der A/V Club mit urigen Camcordern seine Filme dreht und fast am aufwändigen Analogschnitt verzweifelt, dann ist das nicht nur unterhaltsam mit anzusehen, sondern weckt auch Erinnerungen an die eigenen ersten Filmversuche. Und wenn im Hintergrund “The Mighty Ducks” auf dem Werbeschild eines Kinos steht, während “Breakfast At Tiffany’s” von “Deep Blue Something” aus dem Radio tönt, dann ist man wirklich in den 90ern angekommen. Die Macher durften sogar in einer der letzten noch vorhandenen Blockbuster-Videotheken drehen, die direkt danach geschlossen wurde. Ironischerweise aufgrund von Online-Streaming-Portalen, wie Netflix eines ist.
Was die Figuren anbelangt, so könnte Everything Sucks! – Staffel 1 auch heute spielen. Seien es die kreativen Exzentriker, die hotten Teenie-Girls, die intellektuellen Nerds oder die vercheckten Außenseiter – die Charaktere amerikanischer Highschools scheinen sich seit Jahrzehnten nicht verändert zu haben (man werfe nur einen Blick auf Tote Mädchen lügen nicht). Erfrischend ist dabei nur, dass der Fokus auf Nischenclubs wie der Theater- und Film-AG liegt. Hier haben sich die Macher auch etwas besonderes einfallen lassen: immer wieder wird verstärkt mit dem Camcorder-typischen Zoomeffekt gearbeitet. Das ist nicht nur eine augenzwinkernde Hommage an den Heim-Filmstil der 90er, sondern dient in vielen Szenen tatsächlich auch der emotionalen Tiefe der Geschichte. Ein kleiner Zoom auf das Gesicht des Protagonisten, der gerade im Regen stehen gelassen wurde, kann tatsächlich unheimlich viel aussagen.
Top besetzte Jungschauspieler*innen!
Die Schauspieler in Everything Sucks! – Staffel 1 sind eine wahre Freude! Einmal mehr ist das Casting sensationell gelungen – bei jung und alt. Jahi Di’Allo Winston wechselt mühelos zwischen “goofy”, egozentrisch und verletzlich und funktioniert dadurch auch als ambivalente Identifikationsfigur. Ihm zur Seite steht Peyton Kennedy, der es ebenfalls gelingt, die vielseitigen Facetten der Pubertät und der damit einher kehrenden Unsicherheit glaubhaft zu transportieren. Es ist beachtlich, dass die beiden Jungdarsteller jede einzelne Szene tragen – und das, obwohl sie mit ihren zarten 14 Jahren selbst noch mitten in der Pubertät stecken.
Ein weiteres Highlight ist die Besetzung von Claudine Mboligikpelani und Patch Darragh, die als Elternteile von Luke und Kate mit viel Verantwortung zu kämpfen haben. Erneut finden wir hier zwei Figuren vor, die vielseitig geschrieben und in ihrer Herkunft absolut glaubhaft sind. Mboligikpelani spielt ihre fürsorgliche Mutter mit viel Herzlichkeit und Humor, doch Darragh setzt noch einen drauf: seine herrlich verschrobene, irgendwie auch zutiefst verletzliche und doch herzensgute Vaterfigur ist so feinfühlig gespielt, dass man den Kerl einfach nur knuddeln möchte.
Alle weiteren Rollen sind ebenfalls gut verkörpert, doch kommt hier das große “Aber” bei Everything Sucks!: Viele der Figuren erfahren in Staffel 1 keinerlei Entwicklung. Gerade die nerdigen Freunde von Luke haben undankbare Rollen abbekommen, auch wenn sie so viel mehr Potenzial hätten. Auf der anderen Seite werden die Figuren der Theaterspieler Emaline und Oliver anfangs so überzogen eingeführt, dass ihre Charakterentwicklung wiederum sehr abrupt wirkt – gerde in den letzten Folgen. Für Staffel 2 wäre ein wenig mehr Unterbau für die Nebendarsteller äußerst wünschenswert. Verdient hätten sie es allemal!
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