Kritik: Black Panther
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Wakanda ist ein afrikanischer Staat, der sich als Dritte-Welt-Land ausgibt, aber in Wirklichkeit die reichste Nation der Erde ist. Das Königreich sitzt auf einem riesigen Vorkommen Vibranium – das härteste Element des Universums, das die Technologie der Wakander um mindestens ein Jahrhundert nach vorne gepusht hat. Die Wakander halten nichts von internationalen Beziehungen und machen ihren eigenen Kram. Exakt, sie sind afrikanische Schweizer.
Nachdem König T’Chaka von Wakanda (John Kani) bei einem Bombenanschlag getötet wurde, muss sein Sohn T’Challa (Chadwick Boseman), auch bekannt als der „Black Panther“, das Thronerbe annehmen. Kurz nach der Krönungszeremonie werden die Wakander davon informiert, dass aus einem Londoner Museum wertvolle Artefakte aus Vibranium gestohlen wurden. Hinter dem Raub stecken der Waffenhändler Ulysses Klaue (Andy Serkis) und Soldat Erik Killmonger (Michael B. Jordan). T’Challa will Klaue fangen und ihn für Verbrechen gegen Wakanda zur Rechenschaft ziehen – doch er ahnt nicht, wer sein gefährlicher Begleiter Erik wirklich ist…
Normalerweise euphorisieren Marvel-Filme ab der ersten Minute – völlig egal, ob es sich um lustige oder düstere Einträge ins Franchise handelt. Doch Black Panther humpelt von einer belanglosen Eröffnungsszene zu einer vermurksten ersten Action-Einlage, die dem Marvel-Standard absolut nicht gerecht werden.
Erst die beeindruckenden Kameraflüge über das in gleißendes Sonnenlicht getauchte Wakanda geben dem Film einen Schauwert. Die darauf folgende Königszeremonie gehört zu den besten Momenten in Black Panther, die an eine Mischung aus König der Löwen und Avatar erinnert. Ein pulsierender Soundtrack voll ethnischer Klänge (nein, wir hören kaum Hip-Hop von Kendrick Lamar) lässt dann doch viel Gutes erahnen. Leider hat der Film hier schon seinen Zenit erreicht.
Selbst für Comicfilm-Verhältnisse sind die Gespräche in Black Panther ziemlich eindimensional. Die Wakander sprechen so, wie man in Königreichen eben so spricht („Wakanda über alles!“, „Der Thron ist mein!“, etc.) und erinnern in den schwächsten Momenten sogar an einen Fast and Furious-Film. Dazu sind Wakander recht unbeholfen bezüglich des Timings ihrer auflockernden Witze, die oft wie Fremdkörper wirken. Man meint, dass Regisseur Ryan Coogler eigentlich gar keinen Bock auf Gags hatte. Doch es gehört eben zu den Marvel-Hausregeln, ernste Situationen nach ein paar Minuten mit einem Lacher zu erleichtern. Dabei wird die Cleverness eines Civil War oder Thor nie erreicht.
Deutsche Synchro ist schwach!
Um das Beste aus den Dialogen rauszuholen, sollte man den Film unbedingt im Originalton anschauen – die schreckliche Hochdeutsch-Synchro bügelt jede einzelne Kante aus dem afrikanischen Setting und zieht einige One-Liner ins Lächerliche.
Ähnlich ernüchternd ist die Geschichte. Sie ist nicht nur komplett überraschungslos und berechenbar, sie versagt auch auf ganz fundamentaler Storytelling-Ebene. Damit meine ich nicht die unzähligen Metaphern und Aussagen über Gesellschaft und internationale Politik, sondern das Grundgerüst des Films, das zu keiner Zeit auch nur den Hauch einer konsistenten Dramaturgie aufbauen kann. Black Panther hat Spannungslöcher im Endstadium, die den Mittelteil des Films zu einer zähen Angelegenheit machen. Das darf einem Marvel-Film nicht passieren. Im Gegensatz zu z.B. Denis Villeneuves Blade Runner 2049, kann Coogler mit dieser Minimal-Dramatik nicht umgehen. Erst im letzten Drittel hält sich die frei fallende Formlosigkeit an Momentum fest.
Ein Action-Spektakel ist das Finale allerdings auch nicht. Das CGI ist ungefähr auf dem Stand eines älteren X-Men-Films. Ein virtuoses Feuerwerk à la Doctor Strange oder Guardians of the Galaxy bleibt unerreicht.
Die größte Stärke des Films sind also tatsächlich die Schauspieler. Diese Aussage über einen Marvel Cinematic Universe-Film würde sich aus dem Kontext heraus fantastisch anhören, nur liegt es hier zum Teil einfach daran, dass Black Panther als klassischer Comic-Film kaum überzeugt. Dennoch ist Chadwick Bosemans zurückhaltende Performance als titelgebender Superheld durchaus charismatisch. Noch besser sogar ist sein Gegenspieler Michael B. Jordan als Erik, der mit seinen nachvollziehbaren Motiven zu den besseren Marvel-Schurken gehört. Warum allerdings Andy Serkis’ (Planet der Affen, Der Hobbit) Rolle als „Klaue“ so undankbar ausfallen muss, ist mir ein Rätsel.
Besonders stark ist der weibliche Cast. Letitia Wright als nerdiger Sidekick Shuri sorgt für die funktionierenden Gags und Danai Gurira (The Walking Dead) als Kämpferin Okoye für die beeindruckenden Action-Einlagen. Eher langweilig ist Lupita Nyong’o (Star Wars 8) als Black Panthers Ex-Freundin Nakia, die nicht mehr als ein obligatorisches Love Interest ist. Auch Angela Bassett als T’Challas Mutter bekommt leider keine herausstechenden Momente.
Hingegen völlig überflüssig: Martin Freeman. Man wagt es kaum zu denken, doch über die Laufzeit beschleicht einen das ungute Gefühl, dass Freeman einfach nur im Film ist, weil er weiß ist. Er ist tatsächlich nur dabei. Dazu wird seine Hautfarbe des Öfteren adressiert. Ist das rassistisch? Die Antwort ist schwer – doch zynisch gesehen kann ein durch und durch schwarzer Cast mit sehr schwachen Rollen anderer Gruppen nicht die Antwort auf das „Diversity-Problem“ in Hollywood sein. Der bittere Beigeschmack einer Doppelmoral liegt hier genauso im Mund, wie in erzwungenen, homogenen Frauen-Casts (Ghostbusters) mit kleinen, lächerlichen Männer-Rollen.
Coogleys Message von gleicher Anerkennung aller Hautfarben hätte besser gewirkt, wenn der Film auf seine obligatorischen „weißen“ Rollen einfach verzichtet hätte. Damit sollte inzwischen keiner mehr ein Problem haben. Oder trauen sich die Produzenten doch noch nicht, einen komplett afroamerikanischen Cast aufzustellen? Schon wieder eine Doppelmoral.
Hat nicht erst Get Out letztes Jahr ein gekonntes Statement zum „positiven Rassismus“ gegen schwarze US-Bürger gemacht? Zwar geht Black Panther nie so weit, dass man ihm dieses Label aufdrücken könnte. Doch er pflegt tatsächlich eher den Gedankenansatz einer „Sonderstellung“ von Menschen afrikanischer Herkunft (sie sind stärker, cooler, kämpfen besser etc.), statt endlich einfach farbenblind zu sehen. Ich würde gerne über all diese Diskussionen hinwegsehen und einfach nur den Film genießen – doch Regisseur Ryan Coogler möchte mit Black Panther eindeutig ein Statement machen, weswegen die Diskussion auch gerechtfertigt ist.
Beinahe noch wichtiger als Hollywoods Hautfarben-Debatte sind Black Panthers Kommentare zur aktuellen Außen- und Flüchtlingspolitik großer Industrienationen; und die nagelt der Film an die Wand. Wakanda ist ein reicher Staat, der seinen Reichtum nicht mit dem Rest der Welt teilen will – aus Furcht, dass ärmere Nationen davon profitieren könnten. Die Ironie, dass ein afrikanisches Königreich als Metapher für Industrieländer funktioniert, ist genial und on-point. Schließlich wird in Zeiten der Flüchtlingskrise das Geschrei der Nationalisten immer lauter, ihr Erste-Welt-Privileg nicht mit fremden Menschen teilen zu wollen. Wakanda ist ein abgeschotteter Staat, ein Traum eines jeden Nationalisten. Doch die verkommene Moral eines nationalen Privilegs wird in Black Panther vorbildlich hinterfragt. Hier punktet Coogleys Film mit messerscharfen Dialogzeilen gegen Trump und Gleichgesinnte:
„Ein Weiser baut Brücken, ein Narr baut Mauern.“
Black Panther auf einer UN-Konferenz
Autsch.
So wichtig ein Comic-Film mit schwarzem Superheld zurzeit auch sein mag, Black Panther hat klare Defizite. Einerseits kann Ryan Coogler den Unterhaltungswert eines „typischen“ Marvel-Films nicht heraufbeschwören und kämpft mit langen Durststrecken im Mittelteil. Andererseits bewirkt Black Panther weniger für ein Rassismus-freies Hollywood als erhofft: Statt weißer Hauptcharaktere mit schwachem Cast anderer Hautfarbe, dreht Coogler den Spieß einfach um. Ein durch und durch afroamerikanischer Cast, ohne die obligatorischen Besetzungen von Martin Freeman und Andy Serkis, hätte Black Panther definitiv aufgewertet. Umso treffender ist die eingestreute Nationalismus-Kritik – warum aber z.B. der verpönte Winchester aufgrund seiner Gesellschaftskritik so zerrissen und Black Panther hochgefeiert wird, ist unverständlich. Als unterhaltsamer Blockbuster bleibt der neueste Marvel-Film hinter seinen Franchise-Genossen zurück.
Artikel vom 16. Februar 2018
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