Kritik: Jurassic World: Das gefallene Königreich
DAS GEFALLENE FRANCHISE
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Die Dinos sind in Gefahr! Nachdem Isla Nublar nach dem Supergau in Jurassic World nun wieder autonomes Gebiet ist und munter von den prähistorischen Reptilien bevölkert wird, drohen diese nun erneut auszusterben. Grund dafür ist der brodelnde Vulkan der Insel, der jederzeit ausbrechen könnte. Als Claire Dearing (Bryce Dallas Howard, Black Mirror) von dem charmanten Investor Eli Mills (Rafe Spall) das Angebot unterbreitet wird, die übrig gebliebenen Dinosaurier-Arten zu retten und in ein sicheres Gebiet fernab der Menschen zu transportieren, ist die bekehrte Tierschützerin Feuer und Flamme. Und wer könnte ein besserer Begleiter für diese gewagte Rettungsaktion sein, als ihr Ex-Freund Owen Grady (Chris Pratt)?
Ich oute mich hiermit als einer derjenigen, die damals von Jurassic World nicht sonderlich beeindruckt waren. Zwar sahen die Effekte ganz nett aus und der Unterhaltungsfaktor war durchaus passabel, doch wirkte das in die Jetztzeit übersetzte Sequel eher wie ein Aufguss des Klassikers von Steven Spielberg aus dem Jahr 1993. Entsprechend waren meine Erwartungen relativ überschaubar, als ich dem Franchise, das nun von Horrorspezialist J.A. Bayona (Sieben Minuten nach Mitternacht, Das Waisenhaus) fortgeführt wird, eine weitere Chance gab.
Bayona fackelt auch gar nicht lange: die ersten 40 Minuten von Jurassic World: Das gefallene Königreich fegen die Zuschauer aus ihren Sitzen. Das liegt daran, dass die im Trailer angedeutete Handlung – der Wettlauf gegen den Vulkan – tatsächlich nur der Exposition dient. Und die räumt amtlich ab! Bayona zeigt eindrucksvoll, wie selbstbewusst und hochspannend er inszenieren kann. Hier greifen Spannungselemente, Sounddesign und die überragenden Spezialeffekte perfekt ineinander. Tatsächlich ist der Vulkanausbruch zu Beginn eines der eindrucksvollsten CGI-Spektakel der jüngeren Kinogeschichte. Jurassic World: Das gefallene Königreich wird optisch wesentlich besser altern, als überfrachtete Effekt-Platten à la Der Hobbit.
Es ist überraschend, welchen Weg Bayona nach seinem beeindruckenden Auftakt geht. Er löst sich zunächst von der anfänglich dominanten Materialschlacht und verpasst der Erzählung einen sehr klaustrophobischen, minimalistischen Anstrich. Denn die eigentliche Geschichte um das gefallene Königreich beginnt erst, als Isla Nublar in Schutt und Asche liegt. Ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen: der Horror-Regisseur besinnt sich auf seine Wurzeln und frachtet die zweite Filmhälfte voll mit allen möglichen Grusel-Klischees.
Grundsätzlich ist der neue Ansatz sehr spannend, denn zu viel Effekthascherei mit immer noch mehr Dinos kann schnell auch wahnsinnig ermüdend sein. Auch Spielberg wagte sich damals bei Teil zwei der Jurassic Park-Reihe in düstere, brutalere Gefilde. Bayona schielt in eine ähnliche Richtung und ersetzt den Humor des Prequels mit Horror-Elementen. Die wiederbelebten Ungetüme wollen aber einfach nicht so richtig schockieren. Zu inkonsequent werden die Killermaschinen in Szene gesetzt, zu harmlos fallen die Zusammentreffen zwischen Mensch und Tier aus. Das ganze noch in ein von Blitzen und Regen umgarntes Grusel-Villa-Setting zu packen, hilft da auch nicht. Der Spagat zwischen Dino-Horror und Familienunterhaltung führt nur zu einem Resultat: es fehlt schlichtweg an Biss!
Der Grund, warum die zweite Filmhälfte so gar nicht funktionieren will, ist das schwache Drehbuch. Der Zuschauer kann zu jeder Sekunde voraussagen, was als nächstes passieren wird. Einerseits liegt das an dem enorm großzügig eingesetzten Foreshadowing, andererseits aber auch daran, dass wirklich alle bekannten Genre-Elemente ihren Weg in den Film gefunden haben. Ein Bösewicht mit einer Motivation, die selbst von den lachhaftesten Bond-Bösewichten in den Schatten gestellt wird? Check. Der Größenwahnsinn der Menschen, die munter eine genetische Wunderwaffe basteln, die – natürlich – voll nach hinten losgeht? Check. Ein epischer Showdown zwischen “guten” und “bösen” Dinos, bei dem die Menschen schlussendlich zur Nebenhandlung werden? Check. Und leider, leider hört die Frustration bei der lahmen Handlung noch nicht auf…
Was Jurassic World: Das gefallene Königreich zusätzlich verpasst, ist eine vernünftige Charakterentwicklung. Im Vorgänger hatten wir mit Chris Pratt einen charismatischen Protagonisten, mit Bryce Dallas Howard eine toughe Business-Lady, die mit Stöckelschuhen über ihren Schatten springen muss und mit Vincent D’Onofrio einen Antagonist, der ziemlich Laune machte. Im Sequel bekommen wir all das auf einer verschwindend kleinen Sparflamme.
Das fängt schon bei der Exposition an: aus der einst von Jurassic World überzeugten Claire wurde nun eine Art Greenpeace-Aktivistin gemacht. Bitte was? Das ist beim besten Willen nicht glaubhaft. Dazu marschieren Tausende Protestierende vor dem Weißen Haus herum, weil sie von der Regierung fordern, die Dinosaurier vor dem Vulkan zu retten. Ach, und was war mit der Katastrophe drei Jahre zuvor? Hat man kollektiv vergessen, wie viele Menschen hier Dinofutter wurden? Offensichtlich ja.
Schon im ersten Film des Reboots war der Gedanke, Dinosaurier als Kriegswaffen zu nutzen, ziemlich hanebüchen. Dass ausgerechnet dieser Aspekt nun ein zentrales Thema wird, dient der Glaubwürdigkeit leider kein Stück. Dazu kommt, dass man auch den Bösewicht des Sequels meilenweit gegen den Wind riechen kann, ohne dass dieser wirklich ernsthafte Akzente setzen könnte. Ein sehr überhasteter Kniff der Drehbuchautoren, so früh mit offenen Karten zu spielen.
Chris Pratt bleibt Chris Pratt. Selbst aus den eindimensionalsten Rollen kann der Routinier noch eine spaßige Angelegenheit machen. Trotzdem bleibt sein Owen bis auf eine einzige Szene etwas beiläufig. Viel Entwicklung tut sich hier nicht, auch wenn Pratt den einen oder anderen witzigen One-Liner zum Besten geben darf. Doch wer ihn aus Guardians of the Galaxyoder Die glorreichen Sieben kennt, findet hier nur einen Abklatsch seiner bereits bekannten Figuren vor.
Bryce Dallas Howard darf in erster Linie gut aussehen, aber sonderlich viel mehr traut ihr das Drehbuch auch nicht zu. Rafe Spall spielt schmierig, Toby Jones bewährt wahnsinnig, James Cromwell charismatisch – doch jeder einzelne dieser Topstars erliegt schon nach kurzer Zeit der Belanglosigkeit der Handlung. Ausgerechnet Newcomerin Isabella Sermon transportiert in Jurassic World: Das gefallene Königreich noch am meisten Sympathie und Emotionen. Und was Jeff Goldblums Cameo als Ian Malcolm hier verloren hat, ist – zumindest bis der finale Teil der Trilogie erscheint – zunächst auch fragwürdig.
Der Ansatz des Films mag auf dem Papier zwar stimmig gewesen sein, doch Jurassic World: Das gefallene Königreich stolpert in der zweiten Filmhälfte einfach zu stark in belanglosen und längst bekannten Gefilden herum. Das Experiment, auf ein anderes Setting als den bekannten Dino-Dschungel zu setzen, ist leider missglückt. Zu unglaubwürdig ist die Handlung, zu nebensächlich die Charaktere, zu generisch die Action. Einziger Lichtblick: das Finale verspricht, das Franchise nochmal in ein gänzlich anderes und sehr spannendes Setting zu verfrachten. Viel Potenzial also, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Doch wie man in Jurassic World: Das gefallene Königreich gesehen hat: leider auch viel Potenzial, ein Franchise vollends gegen die Wand zu fahren.
Der Auftakt des Dinosaurier-Spektakels lässt Fan- und Actionherzen höher schlagen. J.A. Bayona zeigt fulminant, wie gute Action heute aussehen kann. Leider hört es danach auch schon wieder auf. Weder die ermüdend vorhersehbare Handlung, noch die minimal entwickelten Figuren schaffen es auch nur im Ansatz, die zweite Filmhälfte zu tragen. Man muss den Autoren zugutehalten, dass man versucht hat, sich vom bewährten Ton der Filmreihe zu lösen und neue Akzente zu setzen – doch leider ist dieser Versuch gescheitert. Trotz all der erzwungenen Spannung packt das Filmfinale den Zuschauer nicht mehr wirklich. Lediglich die Aussicht auf Teil 3 mit einer vielversprechenden Prämisse lässt uns noch hoffen, dass das Franchise nicht komplett absäuft.
Artikel vom 12. Juni 2018
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